Die rote Kaffeemaschine muss mit, wenn Christoph Bauer-Bretterklieber in den "Urlaub" fährt. Es geht für ihn aber nicht ans Meer, sondern zu den Grazer Reininghausgründen. Dort lebt er für eine Woche in einer Zweier-WG. Genauer: im betreuten Gästewohnen der Lebenshilfe.
"Die Mama macht Urlaub von mir und ich mache quasi auch Urlaub", erklärt Bauer-Bretterklieber und lacht. Der 37-jährige Grazer ist zu hundert Prozent behindert, bei der Geburt hat er nicht genug Sauerstoff bekommen. Ohne Hilfe kann er nicht essen und sich nicht waschen. Für Mutter Michaela bedeutet das "24/7, Tag und Nacht, Bereitschaft", sagt sie.
"Die Verantwortung hört nie auf"
Mütter wie sie sind als pflegende Angehörige die Zielgruppe des Gästewohnens. "Jeder andere, der Kinder hat, weiß: Irgendwann ziehen die Kinder aus. In dem Fall ist es nie vorbei. Die Verantwortung hört nie auf", sagt Michaela Daum, Leiterin des Projekts. "Deswegen sind Auszeiten für die Eltern ganz wichtig."
Viele Möglichkeiten gebe es aber in der Steiermark nicht, betont Michaela Bretterklieber. "Das ist ein großes Manko. Da wird zu wenig getan, dass man entlastet wird." Ist sie krank und braucht spontan eine Lösung, weiß sie oft nicht weiter. Wenn ihr Mann und sie Urlaub machen, kommt ihr Sohn meist mit. "Aber man braucht auch einmal Zeit, wo man für sich ist. Wo man durchschlafen kann", sagt die Mutter, die in einem Reisebüro arbeitet. Diesmal war sie Segeln in Italien.
Gäste können üben, selbstständiger zu sein
Und Christoph Bauer-Bretterklieber genießt den "Luxus" in Reininghaus. Neben der Kaffeemaschine hat er seinen Fernseher mitgenommen. Fürs Fußballschauen. Am liebsten unterhält er sich aber mit den Betreuern und seinen Mitbewohnern. "Ich bin ein kommunikativer Mensch und gern in Gesellschaft", sagt er. Bis am Nachmittag ist er in der Tageswerkstätte der Lebenshilfe. Wenn er heimkommt, wird mithilfe gekocht – und eben Kaffee getrunken.
Drei Menschen mit Behinderung haben Platz in Reininghaus. Einige Tage oder Wochen können sie bleiben. Das Angebot ist gefragt, weiß Daum. "Die Eltern sehen das als etwas Sicheres an, wo sie ihr Kind mit einem ruhigen Gewissen hingeben können." Für die Gäste selbst ergebe sich die Chance, einmal allein zu wohnen und zu üben, selbstständiger zu sein.
Bei ihrem Job habe Daum mit vielen Schicksalen zu tun. "Einmal hat eine Mutter zu mir gesagt: 'Seit 19 Jahren habe ich keinen einzigen Tag Urlaub gehabt.' Seit ihre Tochter zum Gästewohnen kann, habe sie zumindest ein langes Wochenende." Es sei schön, so etwas zu hören, sagt Daum. Die Tochter sei dann übrigens von zu Hause ausgezogen. Weil sie bemerkt habe, dass sie es kann.