Hermann Schützenhöfer (ÖVP) tritt als steirischer Landeshauptmann zurück. Am Vormittag teilte er der Öffentlichkeit seine Entscheidung mit und schlug Landesrat Christopher Drexler als Nachfolger vor. Am Nachmittag segnete der erweiterte ÖVP-Landesvorstand diese Entscheidung einstimmig ab und bestimmte Drexler zum geschäfstführenden Parteiobmann. Am 4. oder 5. Juli soll der Landtag den neuen Landeshauptmann wählen, Mitte September wird Drexler beim Landesparteitag offiziell zum ÖVP-Obmann gekürt. In der ZIB2 wurde der Bald-Ex-LH schließlich noch auf eine mögliche Bundespräsidentschaftskandidatur angesprochen - einer solchen erteilte er ein klare Absage.
Ein spannender landespolitischer Tag in der Rückschau:
Kein großer Umbau
Auch auf Nachfrage der Kleinen Zeitung möchte Drexler keine inhaltlichen Schwerpunkte nennen. Aber er werde zu rechten Zeit ein politisches Konzept präsentieren, "das sicherlich bemerkenswert ist." Gibt es schon einen Nachfolger für ihn als Landesrat? "Nein, wir haben noch nicht darüber beraten, wer mir in die Landesregierung folgen wird." In zwei, drei Wochen werde er einen Vorschlag machen, auch interne Ressortumschichtungen seien dann denkbar. Das erfolgreiche VP-Team werde jedenfalls nicht umgebaut. Drexler verweist auf das Regierungsprogramm "Agenda weiß-grün", das im Schatten der Krisenbewältigung stand. "Wir müssen uns sehr anstrengen die Hauptpunkte dieser Agenda in den nächsten zweieinhalb Jahren umzusetzen."
Die 1. Stellungnahme Drexlers
Ein großes Privileg
"Sie sehen mich in dieser Stunde außerordentlich bewegt", leitet Christopher Drexler mit stockender Stimme sein Statement ein. Sein Dank gelte Schützenhöfer. Es sei ein großes Privileg mit so einem Politiker 30 Jahre zusammenarbeiten zu können. "Ich muss noch viel lernen, um die Größe des Vorgängers zu erreichen." Besonders hebt er die Jahre von 2005 bis November 2019 hervor, die Zeit, als die ÖVP um die Rückeroberung der Mehrheit kämpfte.
Er wolle die nächsten vier Wochen dazu nützen, viele Gespräche zu führen und "zuhören, zuhören, zuhören" - um noch besser zu wissen, was die Steirerinnen und Steirer bewegt und welche Sorgen sie haben. Er wolle vorbereitet sein, um im Juli die Hauptverantwortung für das Land zu übernehmen. Das Motto für die Zukunft laute: "kraftvolle Kontinuität". Er beschwört den steirischen Weg der Zusammenarbeit. Mit Anton Lang habe man genau die Qualität der Zusammenarbeit wiedergefunden, die man bereits unter Franz Voves hatte. Er reicht auch den anderen Landtagsfraktionen die Hand, will Möglichkeiten der Zusammenarbeit ausloten.
Drexler weiter: Aus Respekt vor dem amtierenden Landeshauptmann und vor dem Landtag werde er in den nächsten Wochen keine großen programmatischen Ankündigungen machen, sondern die Zeit zur Vorbereitung nutzen. Eine "inhaltliche Orientierung" werde er aber ab dem Zeitpunkt seiner Angelobung geben.
"Wir werden alle Hände voll zu tun haben", sagt Drexler - sowohl um anzupacken, als auch um sich die Hände zu reichen. Er habe großen Respekt vor der Aufgabe, aber: "Es durchflutet mich die Freude für die kommenden Jahre."
Wechsel am 4. oder 5. Juli
Christopher Drexler wurde vom Parteivorstand einstimmig zum designierten Landeshauptmann nominiert, teilte Schützenöfer mit. Die Wahl im Landtag soll am 4. oder 5. Juli erfolgen. Ab sofort ist Drexler auch geschäftsführender Landesparteiobmann, der Parteitag zu seiner offiziellen Kür soll am 16. und 17. September stattfinden. "Ab dem 4. oder 5. Juli werde ich mich nicht mehr in die aktuelle Tagespolitik einmischen", so Schützenhöfer.
Dass Drexler noch nicht die Herzen aller Steirerinnen und Steirer erobert hat, spricht Schützenhöfer selbst an. "Jojo, für seine Beliebtheit müssen wir noch was tun. Ein Landeshauptmann fällt nicht vom Himmel. Aber wir haben ja noch eine halbe Legislaturperiode Zeit."
Und weiter: "Ich habe mit dem Anton Lang natürlich die Dinge besprochen. Die SPÖ hat dem Christopher auch gratuliert, es wurde mir zugesagt, dass sie ihn mitwählen wird." Er hoffe auf einen Vertrauensvorschuss durch den Koalitionspartner.
"Viele Morddrohungen bekommen"
Kurz nach 15 Uhr tritt LH Schützenhöfer und sein designierter Nachfolger Christopher Drexler im Volkskundemuseum vor die Mikrofone. Neben und hinter ihm nimmt der gesamte Parteivorstand Aufstellung. Schützenhöfer zieht dabei noch einmal kurz Bilanz über seine Zeit als Landeshauptmann, schildert die Krisen in seiner Amtszeit: Die Amokfahrt in Graz, der Flüchtlingsansturm in Spielfeld, die Pandemie. "Ich habe in den letzten beiden Jahren so viele Morddrohungen bekommen wie in 50 Jahren nicht. Das hat vor allem mit dem Impfen zu tun." Er dankt dem Koalitionspartner und den anderen Landtagsparteien "dass wir im Großen und Ganzen gut zusammengearbeitet haben."
Er selbst gehe schweren Herzens. "Aber es ist egal, wann ich gehe, ich werde nachher nicht zufrieden sein", so Schützenhöfer selbstkritisch.
Was ehemalige Wegbegleiter sagen
Der ehemalige Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl ist erst am Montag mit dem Ehrenring des Landes ausgezeichnet worden. Heute ist es er, der den scheidenden Landeshauptmann verbal ehrt: "Wenn man mit einer Person und einem Politiker das Wort ,Verantwortung' Verbinden konnte, dann mit Hermann Schützenhöfer. Egal, was passiert ist in diesem
Land, er war da. Seine größte Errungenschaft für die ÖVP war sicherlich das Zurückholen der Landeshauptmannposition."
Michael Schickhofer (SPÖ), neben Schützenhöfer LH-Vize von 2015 bis 2019, verliert ebenso kein böses Wort: "Ich bin mir sicher, dass er mit seiner Marianne und mit den Enkelkindern eine glückliche Zeit vor sich hat. Ich wünsche ihm in der Pension alles Gute, viel Glück und Lebensfreude." Ob er selbst denn keine Lust auf die Politik mehr hat? "Ich bin glücklich mit meinem Leben. Aber wer weiß schon, was die Zukunft bringt?"
Mehr als 50 Jahre in der Politik
Hermann Schützenhöfer kam als Teilzeit-Schreiberling 1970 zur jungen ÖVP Steiermark, wurde noch im selben Jahr deren Landessekretär. Damit begann eine mehr als 50 Jahre dauernde politische Karriere des in Niederösterreich geborenen späteren Landeshauptmanns der Steiermark. Sehen sie in einer Bilderstrecke die wichtigsten politischen Stationen Schützenhöfers, garniert mit Zitaten.
Wer folgt Drexler?
Immer wieder wurde spekuliert, wann Schützenhöfer sein Amt übergibt. Und wer dann Drexlers Aufgaben übernimmt.
Wer aber kommt für Drexlers Posten und Ressorts infrage?
Wie schon im Jänner gilt: Für den Sport wäre Detlev Eisel-Eiselsberg gesetzt. Der VP-Landesgeschäftsführer war einst Sportstadtrat in Graz und kennt alle Mitspieler. Da er damals auch für die Bildung zuständig gewesen ist, könnte ihm Landesrätin Juliane Bogner-Strauß den Schulbereich guten Gewissens übergeben – und wäre entlastet.
Apropos: Als „Aktie“ wird auch Arzt und Bundesrat Karlheinz Kornhäusl gehandelt. Wegen des Schauplatzes der Pressekonferenz, dem Volkskundemuseum, wird kurzfristig noch ein weiterer Name ins Spiel gebracht: Claudia Unger, Leiterin der Abteilung Volkskunde im Universalmuseum Joanneum.
Nicht zu vergessen Günter Riegler: Der Kulturstadtrat aus Graz und als ehemaliger Finanzstadtrat hat Erfahrung. Der Wechsel würde Nagl-Nachfolger Kurt Hohensinner ermöglichen, die VP-Graz zu erneuern.
Kommentar
"Starke Persönlichkeit"
Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) würdigt Schützenhöfer als eine "starke Persönlichkeit" und "verlässlichen Partner" für das Burgenland. Oberösterreichs LH Thomas Stelzer (ÖVP) dankt ebenfalls "für die vertrauensvolle und freundschaftliche Zusammenarbeit". Der Kärntner LH Peter Kaiser (SPÖ) lobt Schützenhöfer als einen immer "verlässlichen Partner, wenn es darum ging, gemeinsam Projekte für unsere beiden Bundesländer Kärnten und Steiermark weiterzuentwickeln und gemeinsame Zukunftsperspektiven zu erarbeiten". Der steirische Diözesanbischof Bischof Krautwaschl sagt: "Er wird uns fehlen."
"Hofübergabe im bäuerlichen Sinne"
Machtwechsel oder nicht: Schützenhöfer nahm natürlich an der Verleihung der „Großen Goldenen Ehrenzeichen des Landes Steiermark“ teil. Drei Präsidenten, Josef Herk (Wirtschaftskammer), Josef Pesserl (Arbeiterkammer) und Franz Titschenbacher (Landwirtschaftskammer), standen in der Alten Aula im Rampenlicht.
Vom Zeitpunkt des angekündigten Rückzugs waren sie überrascht. Nicht aber vom Schritt selbst. „Eine gute Hofübergabe im bäuerlichen Sinne“, lobte Titschenbacher. Viel Lob zollten auch Pesserl und Herk. Hätte letzterer nicht lieber einen Mann des Wirtschaftsbundes an der Landesspitze? Drexler ist ja vom ÖAAB. Aber „es zählen nicht die Bünde, es geht ums Land“, winkte Herk ab.
Ehefrau "wusste es schon lange"
Im Anschluss an sein Statement zog sich Schützenhöfer mit Parteigeschäftsführer Detlev Eisel-Eiselsberg und Team zurück. Um 10.55 Uhr öffnete sich aber der Eingang in die Burg und Schützenhöfer spazierte mit Vize-LH Anton Lang zur Alten Aula, um Ehrenzeichen zu verleihen. Zwischenfrage am Weg dorthin: „Wann wurde der Bundeskanzler informiert? Wusste es ihre Frau früher?“ Schützenhöfer schmunzelte: „Meine Frau wusste es schon lange."
Wo war eigentich Drexler?
Während Hermann Schützenhöfer seinen Rückzug bekannt gab, war Nachfolger Christopher Drexler im Landhaus. Er sah sich die Live-Übertragung des Statements an. Seine Mitarbeiter wurden relativ kurzfristig über die Rochade informiert. Klar, Gerüchte gab es immer wieder. „Aber wir haben aufgehört, jedes Mal nachzufragen“, sagt einer.
Grüne und KPÖ
Wohlwollend fielen die ersten Reaktionen der anderen Oppositionsparteien aus. „Ich bedanke mich für die gute Zusammenarbeit auf Augenhöhe und insbesondere für die transparente Informationspolitik in Krisenzeiten. Den immensen Herausforderungen der letzten Jahre ist Landeshauptmann Schützenhöfer stets mit großer Verantwortung begegnet. Ich habe den persönlichen Austausch mit ihm sehr geschätzt und wünsche ihm für die kommende Lebensphase alles erdenklich Gute", schrieb Grünen-Landessprecherin Sandra Krautwaschl. KPÖ-Klubobfrau Claudia Klimt-Weithaler: "Trotz aller politischer Differenzen war Hermann Schützenhöfer auch für die Opposition ein besonnener Landeshauptmann mit Handschlagqualität. Wir wünschen ihm einen erholsamen Ruhestand und eine schöne Zeit mit seiner Familie."
Karten neu gemischt
FPÖ-Landesobmann Mario Kunasek sieht mit dem heutigen Tag die Karten für die Zukunft der Steiermark neu gemischt. Mit Schützenhöfer würde ein Politiker des alten Schlages gehen. „Landeshauptmann Schützenhöfer hat durchaus Tugenden gehabt, die der aktuellen Politik – insbesondere auf Bundesebene – fehlen. Beispielsweise gab es in großen Fragen eine Dialogbereitschaft mit den Oppositionsparteien", so Kunasek. Für die Regierungsarbeit Schützenhöfers findet er weniger lobende Worte: Reformen, wie jene der Gemeindezusammenlegungen, seien über die Köpfe der Bürger hinwegbestimmt worden.
Drexler um 15 Uhr am Wort
Der erweiterte Landesparteivorstand der ÖVP tritt um 13 Uhr zusammen. Dabei wird Christopher Drexler offiziell zum Nachfolger von Hermann Schützenhöfer erkoren. Gegen 15 Uhr gibt es eine Pressekonferenz im Volkskundemuseum, dabei wird Drexler auch Fragen beantworten. Schützenhöfer hatte bei seinem Auftritt am Vormittag noch keine Fragen von Journalisten zugelassen.
SPÖ setzt Koalition fort
Erste Reaktion vom Koalitionspartner: SPÖ-Landesobmann Anton Lang sagte der Kleinen Zeitung, dass seine Partei auch unter Christopher Drexler die Regierungszusammenarbeit fortsetzen werde. In einer Aussendung heißt es später: "Es ist die Entscheidung der ÖVP, wen sie in ihren Gremien als Nachfolger vorschlägt. Wie mit der gesamten Regierung ist die Zusammenarbeit auch mit Christopher Drexler sehr gut. Selbstverständlich werden aber auch wir in unseren Gremien diese neue Situation besprechen."
Eine Umbildung seines Regierungsteams plant Lang nicht. Er selbst werde 2024 wieder als Spitzenkandidat für die Landtagswahl antreten
Neos-Chef Niko Swatek erweist Schützenhöfer in einer Aussendung "Dank und Anerkennung", fordert die Koalition aber auch auf den Stillstand der letzten Jahre aufzuholen. Weitere Reaktionen zum Rücktritt Schützenhöfers finden Sie hier.
Geordnete Übergabe
Er habe vor gut einer halben Stunde die Mitglieder des Parteivorstandes informiert, eröffnete Schützenhöfer sein Statement vor seinem Büroräumlichkeiten in der Burg. Viele Wissen es: Ich bin im 71. Lebensjahr, fast 52 Jahre in der Politik tätig und 22 Jahre Mitglied der Landesregierung. Ich wollte immer eine geordnete Übergabe. Zu oft gab es Rücktritte überfallsartig - nach Wahlniederlagen oder wegen politischen Drucks innerhalb der Partei", erklärte er die Hintergründe seines geplante Rückzugs.
Und weiter: "Mein Ziel war es immer, den Landeshauptmannsessel zu erobern. 2015 war es so weit und das wurde 2019 durch die Wählerinnen und Wähler eindrucksvoll bestätigt."
Für die kommenden Jahre sei "viel Kraft, Energie und Schwung nötig", sagte er. Da die Ziele der Steiermark höher als bei anderen liegen würden, wünsche er sich und dem Land Steiermark "den Richtigen für diese Zeit".
"Ich gehe schweren Herzens, aber guten Gewissens", sprach Schützenhöfer die Nachfolge an. Christopher Drexler sei ein Nachfolger, "wie wir einen besseren nicht haben könnten." Er sei zwar ein Neuer an der Spitze, aber alles andere als ein Neuling". Und: "Ich wüsste keinen anderen in Österreich, der in der heutigen Zeit besser geeignet wäre."
Am Ende seiner rund zehnminütigen Stellungnahme wurde Schützenhöfer emotional. "Ich wünsche dem Land, der geliebten Heimat alles Gute", sagte er mit tränenerstickter Stimme. Er schloss mit den Worten: "Politik war mein Beruf. Aber die Steiermark bleibt mein Leben. Glück auf für alle Tage."
Spekulationen seit Monaten
Schützenhöfer ist seit 1970 in der Politik. Als Regierungschef ist er seit 2015 im Amt, 2019 konnte er bei den Landtagswahlen die relative Stimmenmehrheit für die ÖVP zurückerobern. Seit Jahresende 2021 hatten sich die Spekulationen um einen nahenden Rücktritt verdichtet. Allen Fragen nach dem Zeitpunkt wich der Langzeit-Politiker stets aus - oder reagierte mit launigen Gegenfragen. Ende Februar wurde der Landeshauptmann 70 Jahre alt, das große Geburtstagsfest Anfang Mai nahmen viele bereits als Abschiedsfeier wahr.
Nach den Rücktritten der Amtskollegen Josef Pühringer (Oberösterreich), Erwin Pröll (Niederösterreich) und Michael Häupl (Wien) gilt der Steirer als "letzter Landesfürst" vom alten Schlag.
Klicken Sie sich hier durch Hermann Schützenhöfers wichtigste politische Stationen.
Der Nachfolger
Nachfolger Christopher Drexler (51) ist studierter Jurist und stammt wie Schützenhöfer aus dem ÖAAB. Drexler stieß schon in seiner Schulzeit zur ÖVP-nahen Schülerunion und bekleidete seither als zahlreiche Funktionen in der Landespolitik. Seit 2000 sitzt er im Landtag, seit 2003 als Klubobmann. Im Jahr 2014 wurde er Landesrat und führte lange das schwierige Gesundheitsressort. Derzeit ist er für Personal, Sport, Europa und Kultur (inklusive Volkskultur) zuständig.
Drexler gilt als "Liberaler", als Vertreter des eher linken Parteiflügels und als unkonventioneller Denker. Dem städtisch geprägten USA-Fan wird allerdings nachgesagt, in ländlich-agrarischen Milieus weniger punkten zu können als Schützenhöfer. Drexler ist Vater von vier Kindern und in dritter Ehe verheiratet, seine Frau Iris ist die stellvertretende Kabinettschefin von Innenminister Gerhard Karner. Ein Porträt über Drexler lesen Sie hier.
Die Legislaturperiode des steirischen Landtags befindet sich mit Ende Juni exakt in der Halbzeit: Die nächste turnusmäßige Landtagswahl findet 2024 statt.