So etwas wie in der Nacht auf Sonntag erleben auch die Beamten im Grazer Streifendienst nicht oft. Ein 18-Jähriger hatte sich (eigenen Angaben zufolge nach einem Treffen der Tuner-Szene) mit seinem kennzeichenlosen BMW eine Verfolgungsjagd mit einem Polizeiwagen geliefert. Wie berichtet, war der Führerscheinneuling mit bis zu 160 km/h unterwegs, bis er in der Triesterstraße mit einem Taxi und einem weiteren Auto kollidierte. Der junge Obersteirer, seine Beifahrerin (19) und die beiden anderen Fahrzeuglenker wurden dabei verletzt.

Bis Montagnachmittag konnte der 18-Jährige von der Polizei noch nicht einvernommen werden. Fest steht, dass auf ihn nun gleich mehrere Anzeigen warten, unter anderem wegen Gefährdung der körperlichen Sicherheit und fahrlässiger Körperverletzung unter besonders gefährlichen Umständen. Auch den Führerschein dürfte der Ennstaler für längere Zeit los sein. Laut den erst im Vorjahr verschärften Strafbestimmungen droht im Ortsgebiet bei einer Tempo-Überschreitung von mehr als 80 km/h ein Schein-Entzug von zumindest einem halben Jahr.

"Keine fixen Vorgaben"

Für die beteiligten Polizisten sind derartige Vorkommnisse stets heikel. „Das ist immer eine Gratwanderung“, bestätigt Alfred Kronawetter. Der Oberstleutnant leitet das Verkehrsreferat Graz und war selbst eineinhalb Jahrzehnte lang dienstlich auf den Grazer Straßen unterwegs. „In Summe habe ich es in dieser Zeit vielleicht fünf oder sechs Mal selbst erlebt, dass jemand einfach davonfahren wollte.“ Dann gilt es für die Beamten zu entscheiden: Bleiben sie mit dem Dienstwagen dran, bis weitere Streifen zur Verstärkung eintreffen, oder ist es aus Sicherheitsgründen besser, die Verfolgung abzubrechen und den Lenker vorerst entkommen zu lassen? „Für solche Fragen gibt es keine fixen Vorgaben, das ist in der jeweiligen Situation zu entscheiden. Diese Verantwortung kann man leider keinem Beamten abnehmen“, sagt Kronawetter.

Denn in den seltensten Fällen ist im ersten Moment bekannt, mit wem man es beim Flüchtenden zu tun hat. „Es könnte eine Alkoholisierung vorliegen, auch das Fahrzeug könnte gestohlen sein. Bei solchen Delikten sind wir ja verpflichtet einzuschreiten“, sagt Kronawetter. „Tun wir es nicht, bleibt zurück, dass man nur Gas geben muss, um sämtlichen Konsequenzen zu entgehen.“

Wie die Sache ausgeht, lässt sich vorab freilich nie sicher sagen. Mit Schaudern erinnert sich Kronawetter an jene Verfolgungsfahrt der Polizei vor 19 Jahren in Graz, im Zuge derer ein 17-Jähriger mit seinem Auto am Glacis einen Buben und einen Erwachsenen tötete. „Wir geben den Beamten deshalb mit, im Zweifel abzubrechen, wenn sie den Eindruck gewinnen, dass die Sache zu riskant wird“, sagt der Polizist.