Öffnungsschritte werden derzeit nicht nur in Wien verkündet, sondern auch an der Pforte zum Pöllauer Tal, wo an diesem Morgen Nebel und Sonne um die Vorherrschaft ringen. "Noch haben sie Homeoffice", sagt Jürgen Kröpfl, "aber in den Wintergarten dürfen sie." Sie – das sind die 5500 Mitarbeiterinnen des Oststeirers und seiner Frau Katharina: Legehennen, die aufgrund der Vogelgrippe derzeit nicht aufs Freiland dürfen, aber in großer Zahl in den überdachten Zwischenbereich zwischen Stall und Wiese zischen, sobald der "Chef" die Tore öffnet.
Der Lindenhof der Familie Kröpfl ist einer von 35.000 steirischen Bauernhöfen, die aktuell mit stark steigenden Produktionskosten konfrontiert sind. Die Preise für Getreide, Saatgut und Futtermittel seien in den letzten Monaten im Schnitt um 52 Prozent gestiegen, rechnet die Kärntner Landwirtschaftskammer vor, die Treibstoffpreise um 31 Prozent – und die Düngemittelpreise haben sich zum Teil sogar verdreifacht.
Nur spiegeln sich diese Steigerungen nicht in den Erlösen wider. Zwar haben in den Supermarktregalen die Preise zuletzt angezogen, das komme aber bei Weitem nicht alles beim Bauern an, kritisieren Agrarvertreter seit Wochen. Im Schweinebereich sind die Erzeugerpreise seit Sommer sogar um 25 Prozent (bei Ferkeln) gefallen.
"Auch uns trifft es dreimal – bei Diesel, Futter und Dünger", erklärt Jürgen Kröpfl, der rund um den Hof mit dem Fahrrad herumkurvt (Dieselpreise, eh schon wissen ...). Während die Futterkosten explodiert seien (im Geflügelbereich wurde vor Jahren auf gentechnikfreie Donau-Soja umgestellt, wo die Nachfrage höher ist als das Angebot), könne die Familie den Preis, den sie für die Eier bekomme, aber nur im Hofladen beeinflussen. Darüber hinaus seien die Eierpreise noch immer unter Druck, weil der Bedarf der Gastronomie und Hotellerie noch nicht auf Vor-Corona-Niveau angekommen sei.
Auf breitere Beine gestellt
Mit seiner Frau, die ihr viertes Kind erwartet, will der 41-Jährige aber keine Zeit mit Jammern verplempern. Das verstelle nur die Sicht auf Auswege, sagt Katharina in ihrem kleinen Hofladen. Um nicht abhängig von einer Sparte zu sein, haben sie den Betrieb in den letzten 15 Jahren auf breitere Beine gestellt. Vor der Hofübernahme als Pflasterer tätig, erkannte Jürgen Kröpfl den enormen Bedarf an Rollrasen. Und dachte: "Was die können, kann ich auch." Er machte die Ausbildung zum Greenkeeper, Katharina hängte nach dem Pädagogik-Studium eine Landschaftsgärtner-Lehre an. Seither betreiben sie zusätzlich zum Hof ein Unternehmen von Gartengestaltung bis Sportplatzbetreuung – und kultivieren auf 5 von 40 Hektar Hoffläche Rollrasen (wo ein Hektar 500 Arbeitsstunden im Jahr erfordert).
Neben 35 Beschäftigten lernten die beiden auch die Bedeutung von Millionen Mitarbeitern im Boden zu schätzen. Regenwürmer zum Beispiel, die der Bauer mit einem Spatenstich aus der vom Morgenfrost noch leicht gefrorenen Erde hebt. "Es geht um das Wissen der Zusammenhänge." Dieses Wissen kommt Jürgen Kröpfl in Zeiten exorbitanter Düngerpreise zugute. "Ich plane die Fruchtfolge auf den Äckern mit bis zu elf verschiedenen Kulturen und Zwischenfrüchten ein Jahr im Voraus." Dabei kommen auch Soja und Käferbohnen zum Einsatz, die Stickstoff im Boden binden (und daher weniger Stickstoffdünger benötigt wird). Statt mit Pflug wird der Boden nur minimal bearbeitet.
"Pflanzen sind die Fotovoltaikanlage der Erde"
Zwar ist er kein Biobauer ("Ich halte nichts vom gegeneinander Ausspielen von Bio und Konventionell"), doch sein Credo ist an Jürgens Jacken- und Traktorfarbe leicht zu erkennen: "Der Acker muss immer grün sein. Pflanzen sind die Photovoltaikanlage der Erde. Und da will ich, dass die das ganze Jahr läuft." Fürs Protokoll: Am Dach läuft überdies eine echte Photovoltaikanlage, die den Hof mit Strom versorgt.
Wie viele Humusbauern in der nahen Ökoregion Kaindorf sind die Kröpfls in die Kompostherstellung eingestiegen.
Auch wird der Mist bzw. die Gülle der Hühner mit Mikroorganismen "aufbereitet". Weil Hühnergülle viel Phosphor hat und Kuhmist viel Kalium, "tauscht" er einen Teil der Gülle mit anderen Bauern. Dadurch sei fast kein Kunstdüngerzukauf notwendig. Zu viele Menschen, meint Jürgen Kröpfl, würden in Gülle bloß Dreck sehen, "selbst viele Bauern sehen nur die Arbeit, wenn die Grube voll ist. Dabei ist das richtig aufbereitet ein echter Schatz".
Bleiben die Spritpreise. Laut Landwirtschaftskammer halte sich die "Mär des billigen Agrardiesels, obwohl die Vergünstigung 2012 abgeschafft wurde". Im Zuge der CO₂-Bepreisung (zu Jahresmitte droht ein Preisschub), ist ein Teuerungsausgleich geplant, Details stehen noch aus. Mit GPS-Steuerung am Traktor versucht indes Kröpfl Diesel zu sparen. Und das Fahrrad für die kurzen Wege gibt’s ja auch noch.
Ulrich Dunst