Wann kann mein Kind alleine ins Schwimmbad oder Fahrradfahren gehen? Wie sichere ich meinen Pool ab? Und wie geht Erste Hilfe bei Kindern? Schweren Kinderunfällen kann vorgebeugt werden - wie, das erklären Holger Till, der Vorstand der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie Graz sowie Elisabeth Fanninger vom Verein Große schützen Kleine. Beide sind unermüdliche Kämpfer für mehr Sicherheit für die Jüngsten.
Die wichtigsten Fragen zum Nachlesen
Warum ertrinken gerade kleine Kinder scheinbar so leicht und schnell?
HOLGER TILL: Wasser übt auf Kinder eine starke Anziehungskraft aus. Sie sind fasziniert vom glitzern und vom Nass und vom Spaß. Zudem haben sie noch kein bzw. kaum Gefahrenbewusstsein. Kleine Kinder können durch den sogenannten „Totstellreflex“ eben schon in weniger als zehn Zentimeter Wassertiefe ertrinken. Es kann nämlich passieren, dass sie in eine Art Schockstarre verfallen und dann den Kopf nicht mehr aus dem Wasser heben können, sobald sie mit dem Gesicht voraus ins Wasser kommen, also Mund und Nase unter Wasser sind. Man denkt, dem Kind kann bei so einer geringen Tiefe nichts passieren. Bitte unterschätzen Sie diese Gefahr für Kinder bis zum dritten, vierten Lebensjahr nicht.
Mein Sohn ist sieben und kann noch nicht schwimmen. Er kann die Bewegungen ausführen, aber braucht als Sicherheit eine Schwimmnudel oder ein Schwimmbrett. Einen Schwimmkurs möchte er nicht machen, er weigert sich, weil er sich davon überfordert fühlt. Was sollen wir tun?
HOLGER TILL: Es ist sehr wichtig, dass Sie Ihren Sohn im und am Wasser niemals aus den Augen lassen, bis er wirklich gut schwimmen kann und etwa 10 Jahre alt ist. Ein Schwimmkurs wäre natürlich die beste Möglichkeit, Grundschwimmkenntnisse aufzubauen. Vielleicht traut er sich eher, wenn er gemeinsam mit einem Freund zum Kurs gehen kann? Vielleicht würde sich auch eine Schnupperstunde in einem Schwimmkurs oder einfach mal "zuschauen gehen" anbieten? Generell sollten Sie Ihren Sohn zwar nicht unter Druck setzen, ihm aber einfühlsam verdeutlichen, wie wichtig schwimmen können für seine Sicherheit ist und wie viel Spaß es machen kann.
Was ist besser – Schwimmflügerl oder Schwimmringe? Wie hilfreich sind Gurte mit kleinen "Gewichten" dran oder die Haifischflosse zum Umschnallen?
ELISABETH FANNINGER: Zuallererst ist hier wieder zu betonen, dass man bei Schwimmhilfen immer aufpassen muss, nicht in eine trügerische Sicherheit zu verfallen. Sie bieten eine Unterstützung, sind aber keinesfalls Entlastung von der Aufsichtspflicht. Es gibt Kinder, die selbst mit Schwimmflügerln vornüberkippen, mit dem Gesicht im Wasser zum Liegen kommen und so im schlimmsten Fall gar ertrinken könnten. Generell empfehlen sich für Kleinkinder, die noch gar nicht schwimmen können, auf jeden Fall Schwimmhilfen, die fest am Körper des Kindes befestigt sind und nicht (leicht) verloren gehen können, wie bspw. Schwimmflügerl, Schwimmscheiben, Schwimmwesten oder auch die besagte "Haifischflosse" oder der Schwimmgürtel. Die letzteren beiden haben gegenüber Schwimmflügeln den Vorteil, dass die Lage im Wasser natürlicher ist. Die Kinder haben die Arme frei, sodass sich die Schwimmbewegungen gut erlernen lassen Wichtig aber bei der Flosse: Diese muss immer zentral am Rücken positioniert sein. Schwimmtiere, Luftmatratzen, Poolnudeln & Co. sind eine Unterstützung für Kinder, die noch nicht sicher schwimmen bzw. gerade dabei sind, schwimmen zu lernen.
Doch was ist zu tun, wenn der Ernstfall schon eingetreten ist? Und das Kind reglos im Wasser treibt?
- Eigene Sicherheit beachten
- Person aus Wasser retten
- Ansprechen / berühren
- Hilfe rufen / Notruf
- Atmung feststellbar?
- Fünf Initialbeatmungen
- Im Wechsel: 15 Brustkorbkompressionen / zwei Beatmungen
Kinder werden größer - ab wann kann man sie getrost alleine ins Schwimmbad gehen lassen – sofern sie schwimmen können natürlich?
ELISABETH FANNINGER: Meist gibt es sogar vonseiten der Bäder Beschränkungen, ab wann Kinder ohne erwachsene Aufsichtspersonen hereingelassen werden. In den Bädern der Holding Graz ist das beispielsweise ab 12 Jahren der Fall bzw. ab 10 Jahren, wenn das Kind einen Freischwimmerausweis vorweisen kann. Auch wir würden es frühestens ab zehn Jahren empfehlen, wenn das Kind wirklich gut und sicher schwimmen kann (Faustregel zehn Minuten relaxt am Stück im tiefen Wasser schwimmen).
Was muss ich beim Kauf des ersten Fahrradhelms für mein Kind beachten?
HOLGER TILL: Ein Helm muss passen. Man sollte das Kind unbedingt zum Kauf mitnehmen und sich im Fachhandel beraten lassen. Auch sollte man darauf achten, dass dem Kind der Helm gut gefällt, damit es ihn von Anfang an gerne aufsetzt. Wichtiges zum richtigen Helmtragen: Eine Fingerbreite Platz zwischen Kinn und Kinnriemen, eine Daumenbreite Platz zwischen Augenbrauchen und "Helmanfang". Die Riemen sollten in Dreiecksform ums Ohr verlaufen.
Führen Sie den Helmwackel-Test durch: Mit dem Kopf wackeln, der Helm soll sich möglichst wenig mitbewegen! Nach einem Sturz auf Beton oder Asphalt den Helm austauschen, auch wenn keine sichtbaren Schäden. Es besteht die Gefahr von Haarrissen am Helm. Der Helm muss Spaß machen, er muss als cool empfunden werden. Da gibt es mittlerweile so viele verschiedene Modelle.
Sind Laufräder, die jetzt so modern sind, wirklich sinnvoll? Mein Enkel ist damit irrsinnig schnell, ich komme kaum nach.
ELISABETH FANNINGER: Laufräder sind generell sehr empfehlenswert. Sie sind eine gute Vorstufe zum Fahrradfahren. Die Oma sollte das Kind aber jederzeit griffbereit haben und wenn die Oma sich nicht wohlfühlt, dann sollte das Kind das vielleicht mit jemanden machen, der nachkommt. Auch zum Laufrad gehört schon der Helm dazu.
Ab wann kann man anspruchsvollere Wanderungen mit Kindern machen?
ELISABETH FANNINGER: Gerade bei anspruchsvollen Wanderungen und Klettersteigen lauern natürlich durchaus Gefahren, die Sie für Ihre Kinder abwägen und verantworten müssen. Tasten Sie sich generell Schritt für Schritt heran. Es gibt zum Beispiel Klettersteigkurse und leichte Übungsrouten speziell für Kinder ab etwa acht bis zehn Jahren. Davor würden wir es nicht empfehlen. Beim Wandern müssen Sie bei Kindern auch immer damit rechnen, dass ihnen auf einmal die Kraft ausgeht oder sie nicht mehr mögen. Hier sollte man auch Schritt für Schritt schauen wie viel möglich ist und die Kinder nicht überfordern.
Allgemein gilt beim Wandern vor allem:
- Richtige Ausrüstung/Schuhwerk/Stichwort Trittsicherheit
- Kinder nicht überfordern, gefährliche Routen (Abstürzen!) meiden
- Genaue Routenplanung (Google Maps ist keine Tourenplanung…), Vorabinformation ob Routen aktuell begehbar sind (z.B. Gefahr erhöhter Steinerosion nach Unwettern), über Wetter informieren
- Besondere Vorsicht und genaueste Information vor Begehung von Klettersteigen
- Bei anspruchsvolleren Wanderungen je ein Erwachsener pro Kind dabei
So sichern Sie Pool und Biotop
Schwimmkurse sind ja lange coronabedingt ausgefallen, Schwimmen in der Schule fiel ebenfalls flach - und gleichzeitig hat die Pandemie den Trend zum eigenen Pool befeuert. Eine gefährliche Kombination, denn Ertrinken ist die Todesursache Nummer eins bei Kindern bis fünf Jahre. Jährlich gibt es mehr als 20 Ertrinkungsunfälle mit Kindern, und auf jeden dieser tödlichen Unfälle kommt ein weiteres Kind, das mit schweren geistigen Behinderungen leben muss.
Vorbeugung kann daher lebensrettend sein. "Wir sind keine Verbieter, wir sind Verhinderer. Wir verstehen, dass Fallen zum Aufstehen gehört. Wir wollen, dass Kinder sich bewegen, toben, lachen, schreien, tun und machen. Aber das in einem möglichst unfallverzeihenden Lebensumfeld", erklärt Holger Till, der auch Präsident des Vereins Große schützen Kleine ist.
Sicherheit auch fürs Trampolin
Immer wieder kommt es auch bei den beliebten Gartentrampolinen zu schweren Unfällen. Beachten Sie folgende Tipps: