Manche vergleichen es mit einem Lottosechser, einen geeigneten Stammzellenspender zu finden. Aber der Vergleich hinkt gewaltig: Beim Glücksspiel geht es nur um Geld – bei Stammzellen um Menschenleben. Thomas Peinsith weiß das. Der 49-Jährige aus Graz hat heuer seinen dritten Geburtstag gefeiert ...
Es war Ende 2017, als der Familienvater merkte, dass sein Körper nicht mehr richtig mitspielt – wobei er den Leistungsverlust zunächst auf einen grippalen Infekt schob. Dann schwoll ein Lymphknoten – an einem Freitag war er bei der Hausärztin, die „Gott sei Dank sofort ein Blutbild machte“, einen Tag später war der Befund da: Leukämie. Jene Krankheit, an der sein Vater nur wenige Jahre zuvor verstorben war. Am Montag, dem 7. November, rückte der damals 46-Jährige in die Klinische Abteilung für Hämatologie ein. „Es war wie eine Wiederholung der Geschichte, wenn du ins Spital kommst, in dieselbe Abteilung, in der der eigene Vater vor ein paar Jahren verstorben ist.“ Er hatte nur einen Wunsch: „Nur nicht in dasselbe Zimmer ...“
Monatelang lag Thomas Peinsith im Krankenhaus. Monatelang war nicht klar, ob er es schaffen würde. Das Problematische in seinem Fall: Er litt an einer Mischform aus myeloischer und lymphatischer Leukämie – erst die dritte Chemotherapie griff an. Damit waren „erstmalig die Werte so, dass man sagen kann, eine Stammzellentransplantation ist möglich“. Das aber hatten die Ärzte von Anfang an gesagt: „Ohne Transplantation brauchen wir gar nichts machen.“
Ein Spender in der Familie
Der Grazer hatte unendliches Glück: In seiner Familie gab es einen, der als Spender infrage kam – seinen älteren Bruder. Doch bevor es so weit war, erkrankte der Patient an einer Lungenentzündung. „Es stand auf Messers Schneide“, aber das Fieber ging herunter. Am 2. Februar 2018 wurde transplantiert.
Anfang März kam Thomas Peinsith das erste Mal nach nach Hause. Nach vier Monaten. Mit 65 statt vorher 85 Kilogramm, ohne Muskeln. „Du kannst nicht einmal gscheit Treppen steigen.“ Aber er lebte.
„Im Nachhinein redet es sich leichter, aber es war schon ein Grenzerlebnis“, sagt er heute. „Du funktionierst nur noch, bist froh, dass du das Glück hattest, einen Spender zu haben. Es gab einige Zimmerkollegen, mit denen du wochenlang in einem Zimmer bist, die es nicht geschafft haben. Da hat der Begriff Leben eine andere Bedeutung.“
Aber nicht nur drinnen war es „hardcore“, auch danach. Ein Jahr war der Grazer zu Hause, zitterte von einer Untersuchung zur anderen. Nach einem halben, dreiviertel Jahr, sagt er, „wagst du ein bisschen – insgeheim – zu hoffen, das könnte es gewesen sein“. Die Ärzte meinten jedenfalls: „Je weiter weg, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wieder etwas kommt.“
Unendlich dankbar
Der Familienvater ist heute unendlich dankbar: seinem Bruder – „das schweißt immens zusammen“ –, seiner Frau Marie und Sohn Max, damals knapp 10, die ihn täglich besuchten und unterstützten. „Natürlich ist es ein Albtraum für alle, für den Partner, das Kind, das sieht, wie du dort verfällst“. Dankbar ist er insbesondere dem gesamten Team des Hämatologie LKH Graz. „Was die leisten, Hut ab.“
Heute engagiert sich Thomas Peinsith selbst bei der Leukämiehilfe Steiermark. Deshalb bittet er auch um Unterstützung für sie und damit für alle, die sein Schicksal teilen.
Stammzellenspender: "Man ist froh, dass man helfen kann"
Die Wahrscheinlichkeit, einen passenden Stammzellenspender zu finden, liegt bei 1:500.000 bis mehrere Millionen. Aber sie steigt mit jedem, der sich typisieren lässt. So wie sie: Marlies Eder (21) aus Pernegg und Nino Sternjak (29) aus Graz konnten heuer schon zwei Menschen Hoffnung auf ein neues Leben schenken.
In Breitenau hatte es 2017 eine Typisierungsaktion von „Geben für Leben“ für einen Leukämiepatienten aus dem Ort gegeben – an dieser nahm auch Marlies Eder teil. Im Sommer 2020 kam die Nachricht: Ihre Stammzellen passen – für ein Kind aus Osteuropa. „Man ist froh, dass man helfen kann“, freut sich die Chemie-Studentin.
Für ein Kind wurde auch ein Spender gesucht, als sich Nino Sternjak 2018 in Tillmitsch typisieren ließ. Er hatte schon länger mit dem Gedanken gespielt – und dann bot sich diese Gelegenheit: die „Chance, einem Kind oder sonst jemandem zu helfen“. In seinem Fall einem Mann in Osteuropa. Ja, er würde ihn gerne kennenlernen – aber auch wenn das nicht funktioniert: Es macht keinen Unterschied für den Grazer, der im technischen Innendienst im Bereich Elektrotechnik arbeitet und berufsbegleitend Innovationsmanagement am Campus 02 studiert: „Jemandem zu helfen, Hoffnung zu schenken“, das zähle.
Beate Pichler