Am Montag, 5 Uhr früh, schritten die Beamten in vier Bundesländern zur Tat. Es wurden auch in der Steiermark und Kärnten zeitgleich Razzien gegen Personen und Vereine durchgeführt, die die Muslimbruderschaft und die Hamas unterstützen sollen. Dies teilte die Staatsanwaltschaft Graz mit. Ermittelt wird gegen über 70 Beschuldigte, 60 Wohnungen, Häuser sowie Geschäfts- und Vereinsräumlichkeiten wurden durchsucht. In der Folge wurden 30 Personen festgesetzt, sie sollen "zur sofortigen Vernehmung" den Behörden vorgeführt werden.
Die Staatsanwaltschaft Graz ermittle gegen über 70 Beschuldigte und auch gegen mehrere Vereine und Gesellschaften. Es besteht der Verdacht der terroristischen Vereinigung, der Terrorismusfinanzierung, der staatsfeindlichen Verbindungen, der kriminellen Organisation und der Geldwäscherei. Seitens der Staatsanwaltschaft wurde betont, dass die Razzien "in keinem Zusammenhang mit dem Terroranschlag in Wien vom 2. November stehen".
Der Aktion seien "umfangreiche und intensive, über ein Jahr dauernde Ermittlungen" des führend zuständigen Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) Steiermark zusammen mit dem LVT Wien vorangegangen. Eingebunden waren auch das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und die LVT Kärnten und Niederösterreich.
In der Steiermark gab etwa ein Dutzend Hausdurchsuchungen in Graz und Umgebung, darunter drei Moscheen. Auch ein Beherbergungsbetrieb in Ramsau im Bezirk Liezen wurde durchsucht, wurde der Kleinen Zeitung bestätigt. Etwa 340 Beamte standen landesweit im Einsatz, darunter auch Spezialeinsatzkräfte und Diensthundeführer. Sichergestellt wurden Dokumente, Computer und Handys und auch Bargeld. Die Auswertung werde noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
"Wir führen derzeit einen Kampf an zwei Fronten", erklärte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Vormittag in einer Pressekonferenz. Einerseits werde im Umfeld des Attentäters ermittelt, andererseits führe man einen Kampf gegen die Förderer von Hass und Terrorismus im Hintergrund. In den frühen Morgenstunden habe man "einen entscheidenden Schlag" gegen Muslimbruderschaft und Hamas durchgeführt. Hier gehe es um das Betreiben eines kriminellen Netzwerks und um den Vorwurf der Geldwäsche. Bei der Operation "Luxor" seien mehrere Wohnungen und Geschäfte durchsucht worden, bei 30 Personen wurde eine sofortige Befragung angeordnet.
Kampf "in nächsten Wochen, Monaten und Jahren"
Die Tätigkeit von Muslimbruderschaft und Hamas solle so "zumindest unterdrückt werden". Denn Ziel der Bruderschaft sei die Einführung der Scharia, dazu wurden eigene Netzwerke aufgebaut - auch in Österreich. "Ein dramatisch gefährlicher Seitenarm ist die Hamas", ihr gehe es um Antisemitismus und dem Kampf gegen Israel. "Heute vor 82 Jahren gedenken wir den schrecklichen Novemberprogromen", erklärte Nehmammer. Deshalb müsse man heute alles tun, "damit sich das nicht mehr wiederholt".
Nun gelte es, die in Österreich lebenden Menschen - auch jene mit muslimischem Glauben - vor solchen "Extremisten zu schützen", so Nehammer. Es werde diesen Personen "nicht gelingen, eine Religion unter Generalverdacht zu stellen". Der Kampf gegen sie werde nun "in den kommenden Wochen, Monaten und Jahren weitergeführt".
"Höhere Summen an Bargeld" sichergestellt
Der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, sprach von einer "konzertierten Schwerpunktaktion, ein gemeinsamer Großzugriff", der lange vorbereitet worden war. 930 Beamte seien hier im Einsatz gewesen. Hier habe es eine "breitangelegte Observation" gegeben. Man gehe hier nicht gegen eine Religion vor, sondern gegen illegale Netzwerke und Geldflüsse. Man habe "beträchtliche Vermögenswerte" sicherstellen können. Hier handle es sich um "eine höhere Summe an Bargeld", sogar "in Millionenhöhe", sagte Ruf auf Nachfrage. Aktuell seien zwei Drittel der Hausdurchsuchungen abgeschlossen, der Rest laufe noch.
Dass Ex-Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) den Codenamen "Ramses" vor der Operation verraten hatte, wollte Nehammer nicht direkt kommentieren. Aktuell wird der Einsatz als "Operation Luxor" bezeichnet. Laut Ruf laufen nun interne Ermittlungen, wie es dazu kommen konnte, dass diese Information nach außen dringen konnte.
Reform des BVT: "Scherben wieder zusammenfügen"
Die Reform des BVT sei indes in vollem Gange, man sei hier "mittendrin", so Nehammer. "Es ist leicht, eine Vase zu zerschlagen. Aber die einzelnen Scherben wieder zusammenzufügen, ist nicht so einfach", erklärte Nehammer und spielte damit auf seinen Vorgänger Kickl an, den er als Hauptschuldigen für den Zustand von BVT und LVT sieht.
Laut Ruf werde das Projekt "zumindest zwei Jahre" dauern, man strebe nun ein Jahr an. Erste Schritte seien bereits beschlossen worden. Im Fokus stehe es nun, "umfassendes Know How" aufzubauen, wenn es um die nachrichtendienstliche Aufgabe des Verfassungsschutzes geht. "Dieser Bereich ist in Österreich traditionell schwach und muss aufgebaut werden."
Aktion verschoben
Wie die Polizei berichtet, war die Operation zunächst unter dem Namen "Ramses" gelaufen und hätte vorigen Dienstag stattfinden sollen. Dies ist insofern brisant, als FPÖ-Klubobmann und Ex-Innenminister Herbert Kickl eine Operation Ramses in der Vorwoche erwähnt und in Zusammenhang mit dem Terroranschlag in Wien gebracht hatte. Die ÖVP warf Kickl darauf vor, die Polizeiarbeit massiv zu zu gefährden. Bei der steirischen Polizei bestätigt man, dass die Aktion schon in der Vorwoche geplant gewesen sei. Dass Teile davon vorzeitig publik wurden, habe den Ermittlungserfolg gefährdet. Die Verschiebung der Operation auf den 9. November war dem Terroranschlag geschuldet, die Aktion selbst habe aber nichts mit den Ereignissen in Wien zu tun, so ein hochrangiger Beamter.
Ob es sich bei den zur Vernehmung festgesetzten Personen um Männer oder Frauen handle, wurde nicht gesagt. Festnahmen und Verhaftungen seien nicht vorgesehen gewesen, so die Staatsanwaltschaft.
Schlag gegen Extremismus
Mit den Razzien Montagfrüh seien "Wurzeln des politischen Islams gekürzt" worden, teilte Innenminister Nehammer (ÖVP) mit. "Wir gehen gegen diese kriminellen, extremistischen und menschenverachtende Organisationen mit aller Härte und allen Möglichkeiten des Rechtsstaats vor", betonte er in einem schriftlichen Statement.
Neben Innenminister Karl Nehammer nahm auch Integrationsministerin Susanne Raab (ebenso ÖVP) Stellung: "Mit diesem Schlag gegen die Muslimbruderschaft machen wir ernst im Kampf gegen radikale, extremistische Ideologien. Wir lassen nicht zu, dass extremistisches Gedankengut in Österreich verbreitet wird und werden auch weiterhin konsequent dagegen vorgehen", erklärte sie in einer schriftlichen Stellungnahme.