Dass wir heute über unsere Verhältnisse leben, ist Allgemeingut. Sparen sollte man – an Energie und Rohstoffen. An guten Absichten und Ratschlägen mangelt es nicht, die persönliche Umsetzung ist dann erfahrungsgemäß weniger ambitioniert.
Doch weltweit gesehen ist von einem Rückgang beim Rohstoffverbrauch keine Rede sein. Im Gegenteil, da sind ganz andere Szenarien realistischer: „Wenn wir uns die Bevölkerungsentwicklung weltweit und die Nachfrage der Menschen anschauen, kann man sagen: In zehn Jahren werden wir jährlich doppelt so viele Rohstoffe benötigen wie jetzt“. Wilfried Eichlseder, Rektor der Montanuniversität Leoben, malt ein düsteres Szenario an die Wand: „Selbst wenn wir 50 Prozent der Rohstoffe durch Recycling wiedergewinnen, benötigen wir immer noch gleich viele neu geförderte Rohstoffe wie jetzt. Und beides wird enorm viel Energie kosten und zu CO2 führen.“
Um hier die Bilanzen nicht völlig entgleiten zu lassen, sind enorme Anstrengungen nötig. Ein wichtiger Puzzle-Stein dabei ist ein neues Kompetenz- und Ausbildungszentrum für nachhaltige Rohstoffgewinnung, das eben an der Montanuniversität Leoben installiert wird. Gefördert wird das Zentrum von der Unesco (UNO-Organisation für Bildung, Wissenschaft), Initiator ist die russische Bergbau-Universität St. Petersburg.
Genaugenommen ist der dortige Rektor Wladimir Stefanovich Litvinenko seit Jahren die treibende Kraft für diesen Verbund. Litvinenko ist ein bekannter Mann: Der Oligarch (Düngemittelherstellung) war Doktorvater von Wladimir Putin und ist vermutlich der reichste Rektor der Welt.
Die Kontakte der Montanuni Leoben nach St. Petersburg begannen bereits 2007 auf Initiative von Professor Peter Moser. Österreich, das in Europa eine „nicht unbedeutende Rolle als Drehscheibe im Bereich der Rohstoffe spielt“ (Eichlseder), ist heute für Russland ein interessanter Partner innerhalb der EU, da das Verhältnis zu Deutschland abgekühlt ist. Zwei weitere Kompetenzzentren (neben St. Petersburg und Leoben) sind in Lappeenranta (Finnland) und Freiberg (Deutschland) angesiedelt.
Das Unesco-Zentrum verfolgt mehrere Ziele. Zum einen sollen Bergbau-Ausbildungen weltweit vereinheitlicht werden und auf europäische Standards angehoben werden, gemeinsame internationale Studienprogramme werden angeboten. Ein Teil der Studienzeit wird im Ausland verbracht.
Auch im Bereich der Forschung bringt sich die Montanuni Leoben mit dem Thema „Nachhaltigkeit“ und „Recycling“ ein. Das alles erweitert und ergänzt das Netz anderer Rohstoff-Aktivitäten der traditionsreichen obersteirischen Hochschule. So entwickelte beispielsweise die Montanuni Leoben in europäischem Auftrag eine Rohstoffstrategie für Ost- und Südosteuropa, ein Ausbildungsverbund zum Thema mineralische Rohstoffe reicht von Peking über Teheran bis nach Lissabon.
„Wir haben große Herausforderungen vor uns. Wissenschaft ist unpolitisch, wir kommunizieren unabhängig von politischen Einschränkungen“, betont Eichlseder die weltweite Drehscheibenfunktion der Österreicher.