Jeden Tag besucht die 58-jährige Brigitta Sterlinger aus Oberaich das Grab ihres Mannes, seit vier Jahren. Vier Jahre hat auch das Verfahren gegen jenen Brucker Arzt gedauert, der Erich Sterlinger (57) während eines massiven Hinterwandinfarkts falsch reanimiert hatte. Kurz vor Weihnachten erhielt die Witwe das schriftliche Gerichtsurteil des Oberlandesgerichtes Graz: Der Arzt habe grob fahrlässig den Tod des Patienten herbeigeführt, heißt es in der Urteilsbegründung. Der Beschuldigte wurde wegen grob fahrlässiger Tötung rechtskräftig zu 8400 Euro Geld- und drei Monaten bedingter Freiheitsstrafe verurteilt.
Es war der 10. August 2015: Brigitte und Erich Sterlinger wollten einige Tage später auf Urlaub fahren. „Mein Mann hatte Schmerzen im Oberbauch und suchte deshalb den Arzt auf. Wir wollten eine Abklärung, bevor wir wegfahren.“ Der Arzt stellte einen Herzinfarkt fest, der Gesundheitszustand des Patienten verschlechterte sich dramatisch. Sterlinger erlitt schließlich einen Kreislaufstillstand und verlor das Bewusstsein. Der Arzt schien mit der Situation hoffnungslos überfordert. Es kam laut Urteil zu außergewöhnlichen Behandlungsdefiziten. Dass er nicht mehr Herr der Lage wurde, liege im eigenen Verhalten des Angeklagten, so das Gericht. Erich Sterlinger konnte zwar vom Notarzt reanimiert werden, doch sein Gehirn war so sehr geschädigt, dass er nicht überlebte.
Seit dem Tod ihres Mannes kämpfte Brigitta Sterlinger um Gerechtigkeit. „Zivilrechtlich habe ich Schmerzensgeld zugesprochen bekommen“, erzählt sie. „Aber ich wollte, dass der Arzt strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen wird.“
Zunächst wurde das Verfahren eingestellt. Die Grazer Anwältin Karin Prutsch brachte einen Fortführungsantrag ein. Es kam zum Prozess, der Arzt wurde freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft ließ nicht locker. Jetzt erst ist der Fall rechtskräftig abgeschlossen.