In den steirischen Spitälern ist laut Arbeiterkammer Feuer am Dach: Der Personalnotstand in praktisch allen Berufsgruppen habe sich in den vergangenen Monaten zugespitzt. "Die Mitarbeiter brechen zusammen", sagte AK-Präsident Josef Pesserl am Freitag in Graz. Sie leisten Überstunden und brennen aus, so die Warnung. Ein "Hilfeschrei" des Betriebsrats, sagte ÖGB-Landesvorsitzender Horst Schachner.
Pesserl sagte, dass viele Spitalsmitarbeiter, vor allem im Pflegebereich, ihre Arbeit aus Liebe und Überzeugung machen, doch wenn man nun mit ihnen rede, "brechen sie aus Überlastung in Tränen aus". Es bleibe immer weniger Zeit für die Patienten, während der Dokumentationsaufwand ansteige, es bestehe Gefahr, dass Fehler passieren. "Es braucht mehr Personal, zum Wohle der Patienten. Hier zu sparen, ist völlig verkehrt. Wenn die Mitarbeiter ausbrennen, kann das dramatische Folgen für Patienten haben", mahnte Pesserl.
Christian Fürntrath, Betriebsratsvorsitzender aus dem LKH Feldbach, erklärte, warum es seiner Ansicht nach in den vergangenen Jahren zu diesen Problemen in den Spitälern der steirischen Krankenanstaltengesellschaft (KAGes) gekommen ist: "Das Leistungsangebot in den Spitälern hat sich erhöht, weshalb auch mehr Patienten kommen. Vieles wird im niedergelassenen Bereich nicht mehr angeboten, das landete alles in den Ambulanzen. Und die Dokumentation nimmt immer mehr Zeit in Anspruch." Die Arbeitsbelastung sei so sukzessive angestiegen, während der Personalstand nicht mitwuchs. "Die Mitarbeiter klagen, sind fertig und ihnen tun die Patienten leid. Sie sind frustriert."
Besonders drastisch sei die Belastung oftmals für Teilzeitkräfte und da besonders für Mütter, die nicht ohne Grund nicht Vollzeit arbeiten. Gerade Teilzeitkräfte müssten laut Fürntrath häufiger als ihre voll angestellten Kollegen einspringen und leisten mehr Überstunden. Dafür bekommen sie allerdings keinen Zeitausgleich, sondern das werde ausbezahlt. Dabei würden die Mütter aber oftmals viel eher die Zeit für die Kinderbetreuung brauchen.
Horst Schachner forderte, dass die Verantwortlichen mehr Personal aufnehmen: "Freunde, so kann es nicht weitergehen. Wir wollen ordentliches Gesundheitspersonal." Erst vergangene Woche hätten auch die Kollegen vom Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Graz 180 "Pappkameraden" aufgestellt, um auf den Personalmangel hinzuweisen: "Es braucht eine Aufstockung der Personalressourcen." Fürntrath sagte, dass immer noch ein altes Personalbedarfs-Berechnungsmodell angewendet werde. Sogar nach diesem würden hochgerechnet rund 300 Leute in den KAGes-Spitälern fehlen. Mit einem adäquaten Berechnungsmodell wären es weitere rund 150 bis 200 fehlende Arbeitskräfte.
Auf der Website der KAGes im Internet waren am Freitag "nur" 96 Stellen ausgeschrieben, 50 davon Ärzte, 14 im Pflegebereich und 16 in der Medizintechnik. Facharbeitermangel wird häufig als Ursache für die nicht besetzten Stellen genannt.
KAGes verwies auf Anstrengungen gegen Personalnot
Die Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft (KAGes) hat nach dem "Hilfeschrei" der Spitalsmitarbeiter ihre Sicht der Dinge dargelegt und den Angestellten teils recht gegeben: Es habe "in den letzten Jahren mehrere Einflussfaktoren gegeben hat, die unbestritten auch von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehr abverlangt haben."
Vorrangig sei der medizinisch-pflegerische Fortschritt zu nennen, der dazu führe, dass die Patientinnen und Patienten immer älter werden. Und damit immer mehr und immer hochspezialisiertere Behandlungen brauchen und auch erhalten. Weiters spiele auch das geänderte Anspruchsverhalten von Patienten und deren Angehörigen eine Rolle, wenn es um erhöhten Druck auf die Mitarbeiter der Spitäler geht.
Dazu komme, so die KAGes in ihrer Aussendung weiter, "dass die erfolgreiche Effizienzsteigerung in der KAGes, die dazu geführt hat, dass die Steiermark die geringsten Kostensteigerungsraten unter allen öffentlichen Spitalsträgern Österreichs aufzuweisen hat, auch von den Mitarbeitern entsprechende Anstrengungen erfordert hat." Es habe aber im Gegenzug auch Anstrengungen und Initiativen gegeben, um dem gerecht zu werden: "So ist die Mitarbeiterzahl im patientennahen Bereich in den letzten Jahren stark steigend. Wobei der Schwerpunkt hier aufgrund des neuen Ärztearbeitszeitgesetzes im Bereich der ärztlichen Mitarbeiter liegen musste."
Darüber hinaus investiere man in die Digitalisierung, etwa mit dem Projekt der "Elektronischen Fieberkurve": Dieses ermögliche, dass die bisher von Pflege- und Ärzteschaft getrennt zu führende Dokumentation für stationäre Patienten künftig gemeinsam in einem digitalen Dokument geführt werden kann. Womit in diesem Bereich der Dokumentationsaufwand um 50 Prozent sinke. Nicht zuletzt habe der KAGes-Vorstand 2019 die Initiative "Patient im Fokus" gestartet. Diese habe zum Ziel, unternehmensweit den Verwaltungsaufwand zu durchleuchten und zu minimieren.