Da ist man wirklich mutterseelenalleine. Der Bergsee Turumtaikul liegt auf 4202 Meter Seehöhe in dem Teil des Pamir-Gebirges, das durch Tadschikistan verläuft. Der Ort ist so entlegen, dass selbst das vermeintliche globale Gedächtnis Wikipedia nur einen bruchstückhaften Eintrag auf Englisch aufweist. Ausgerechnet dort muss man im Schlamm stecken bleiben. Und zwar nicht mit dem Fuß im Wanderschuh, sondern mit einem gut drei Tonnen schweren Steyr-Puch Pinzgauer. Mit jedem Gasstoß graben sich drei seiner sechs Räder tiefer in den Gatsch. Immer mehr gerät das Wohnmobil in Schieflage. Nichts geht mehr.
Was hat Friedl Swoboda in diese missliche Lage gebracht? Die Antwort ist so klar wie eindeutig: das Reisevirus. Schon vor Jahren hat es den gebürtigen Salzburger befallen. Als erste Dosis der Medizin verordnete er sich 2013 eine zweijährige Reise mit einem umgebauten Pick-up durch Nord- und Südamerika. Und er war noch nicht zurück in Österreich, da wusste er bereits: Er wollte mehr. Also reduzierte der Unternehmensberater sich und seinen Haushalt. Verkaufte viele Dinge, die er eigentlich gar nicht brauchte. Lebte sparsam, während in seinem Kopf sein nächstes Abenteuer Gestalt annahm. Eine Weltreise.
Derzeit „übersommert“ der Pinzgauer im sibirischen Irkutsk nahe dem Baikalsee und wartet dort auf Väterchen Frost, während sein Fahrer auf Tour durch Österreich ist, um mit Reisevorträgen die Urlaubskasse aufzubessern. Denn die nächste Etappe der Reise soll ausgerechnet durch den berüchtigten russischen Winter bis nach Wladiwostok an der Küste des Pazifiks führen. „Bis minus 17 Grad habe ich im Pinzgauer schon übernachtet und das war wirklich sehr frisch“, sagt Swoboda. Deshalb wird er ihn in einer Werkstatt vor Ort auf die extremen Temperaturen vorbereiten – 50 Grad unter 0 sind dort keine Seltenheit. In Wladiwostok angekommen, wird das Reisemobil eingeschifft und tritt über den Ozean seine Reise nach Vancouver in Kanada an – die nächste Etappe auf der Weltreise, die rund 90.000 Kilometer umfassen wird.
Aber zurück nach Turumtaikul, wo der Pinzgauer im Schlamm feststeckt. Wo unsereins vermutlich die Nerven im See versenkt hätte, weil er unter diesen Umständen mutterseelenallein in der Wildnis sitzt, nahm es Swoboda gelassen. „Ich habe technische Geologie studiert. Das ist auch der Grund, warum ich auch in der größten Einöde meine Freude habe“, schmunzelt der Mann der Steine. „Ich habe zwei Tage lang gebraucht, um das Auto aus dem Gatsch wieder herauszubekommen. Aber mit Sandblechen und einer Seilwinde habe ich es am Ende doch geschafft.“ Das Ende einer Geschichte – und der Anfang einer neuen.