Seine Predigten zeugen von großem intellektuellen Geist und machen Gottesdienste zu einem Fest. Morgen übernimmt Matthias Weigold (44) nach der Pensionierung von Ulrike Frank-Schlamberger offiziell die Amtsführung der größten evangelischen Gemeinde Österreichs im Rahmen eines feierlichen Sonntagsgottesdiensts.
Bereits seit 2011 ist er Pfarrer an der Grazer Heilandskirche. Die größte Veränderung für die Familie war daher der Umzug in die Pfarrerswohnung im Kirchengebäude, in der nun jedes der fünf KinderSolveig (17), Sören (15), Mareike (13), Annika (9) und Pflegekind Ali Sina (14) ein eigenes Zimmer hat. Ehefrau Jutta Weigold (47) schätzt die Nähe zum Büro: „Denn mehr arbeiten als bisher kann Matthias ohnehin nicht.“
Das Ehepaar schaukelt seit vielen Jahren Hand in Hand Familien- und Gemeindeleben. Aufgewachsen im selben „Schwarzwaldnest“, wie Weigold seine 1500-Einwohner-Heimatgemeinde Rötenberg schmunzelnd nennt, wird dem ältesten von fünf Geschwistern die Liebe zur Theologie im christlich geprägten Elternhaus in die Wiege gelegt.
Schließlich fällt der Entschluss, Theologie zu studieren. Die Ausbildungsjahre führen ihn nach Stuttgart und Paris. An die Universität in Jerusalem fahren er und seine Frau bereits zu zweit. Im Februar 2005 erschallt schließlich der Ruf an das Institut für Judaistik der Universität Wien und der Umzug ins Burgenland. Hier geht der humorvolle Theologe mit sanftem Hang zur feinen Ironie seiner Leidenschaft nach: der kritischen Auseinandersetzung mit der Bibel und ihrer historischen Lesart. Die Entscheidung, 2011 Pfarrer in „des Heilands Kirche“, wie Weigold sie gerne nennt, zu werden, fällt ihm schließlich leicht: „Die Arbeit in der Gemeinde hat mehr Gewicht.“
Ali Sina (14) stieß 2016 über den Grazer Verein „Affido“ zur Pfarrersfamilie. Auf der Flucht aus Afghanistan wurde der Bub von seinen Eltern und Geschwistern brutal getrennt. Bis heute gibt es von ihnen keine Spur. Das Zusammenleben des Muslims mit der Pfarrersfamilie funktioniert in Respekt und Rücksichtnahme reibungslos.
Schutzsuchenden zu helfen, Minderheiten zu schützen, ist Weigold tiefes Bedürfnis. In Graz sieht er dafür die perfekte Wirkungsstätte: eine Gemeinde im Zentrum der Stadt, erste Anlaufstelle für viele, die hilfsbedürftig aus der Fremde kommen. „Suchet der Stadt Bestes“, zitiert Weigold oft das Leitbild der Kirche aus Jeremia 29,7 und Stolz schwingt mit, wenn der passionierte Tischtennisspieler von „seiner Gemeinde“ spricht.