Nach fast 23 Jahren an der Spitze der Patienten- und Pflege-Ombudsschaft gehen Sie in Pension. Sie haben eine Ära geprägt: Hätten Sie das an Ihrem ersten Arbeitstag vermutet?
RENATE SKLEDAR: Wenn ich mich an den ersten Arbeitstag erinnere: nein. Es war kein einfacher Start: Es gab schon ein halbes Jahr keine Leitung, im Büro saßen lediglich zwei Sekretärinnen. Wir mussten alles neu aufbauen. Ich hatte mich unter 59 Bewerberinnen und Bewerbern durchgesetzt. Ich war damals die Erste in der Steiermark, die eine Ausbildung als Krankenschwester gemacht hat und dann Jus studierte. Ich wollte wissen, wie die Dinge laufen, und weiterkommen.

Wenn man sich die Statistik dieser fast 23 Jahre anschaut, dann stehen dort 26.478 Geschäftsfälle. Hinter jedem Fall steckt ein menschliches Schicksal, immer geht es um sogenannte Schadensfälle. Was hat Sie am meisten menschlich berührt?
Sehr oft haben mich Fälle berührt, bei denen in einer gewissen Art und Weise mit Menschen umgegangen wurde, weil es einfache Menschen waren. Das habe ich nur schwer ertragen. Einmal, vor zig Jahren, hat ein Arzt zu einem Patienten, der an einer schweren Krebserkrankung im Halsbereich litt, gesagt: „Schnitzel werden sie keines mehr essen.“ Das ist mir sehr nahegegangen. Oder Vorfälle in der Schlichtungsstelle, wenn einfache Leute Hilfe gesucht haben und man mit ihnen nicht gut umgegangen ist. Ich habe gegen Verzögerungen in der Schlichtung und gegen Ungerechtigkeiten gekämpft.

Zuletzt wurden Sie diffamiert, weil Sie Probleme an der Grazer Herzchirurgie aufgedeckt haben.
Ich habe nur im Namen meines Auftrages gehandelt, nie diskreditierend. Ich habe immer darauf geachtet, dass die Würde des anderen bestehen bleibt. Dass das andere nicht so gesehen haben, das musste ich leider in den letzten Monaten wahrnehmen.

Hatten Sie immer einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn?
Ich habe eine hohe psychische Widerstandsfähigkeit. Aber es ist nicht so, dass es keine Spuren hinterlassen hätte. Ich war oft verzweifelt, konnte nicht schlafen, es war teilweise ein Tal von Blut und Tränen. Einmal hat die Politikerin Lechner-Sonnek zu mir gesagt: „Wenn du aufgibst, dann haben die anderen gesiegt.“ Da habe ich mir gedacht: Nicht mit mir! Das tue ich nicht. Wobei es die letzten zehn Jahre besser geworden ist, bis auf die letzten Monate. Ich hatte auch ein tolles Team wie mit Waltraud oder Renate.

Wie kann man sich von dem Leid abschotten, um nicht persönlich zugrunde zu gehen?
Viele, die den Beruf der Krankenschwester erlernt haben, besitzen eine besondere Persönlichkeitsstruktur. Geerdet, man geht damit anders um – und es gibt viel mehr Leid, als wir sehen. Wenn du am Spitalsbett bist, ist es oft furchtbar. Aber du kannst nur das tun, was du jetzt gerade machst. Freundlich sein, helfen, Leid lindern.

Sie stammen aus Arnfels, leben jetzt bei der Hebalm. Was erwartet Sie im Unruhestand?
Auch Entschleunigung. Ich bin ein Landei, ich fühle mich wohl, wenn ich abends mit den Bauern im Gasthaus Karten spiele. Dort bist du, was du bist und nicht wer du bist. Zuallererst werde ich eine Europareise zu vielen Freunden machen. Mit meinem Hund Zuika.