Bienen oder auch Fische im Schwarm sind schlau. Von sich aus könnten sie allerdings niemals miteinander kommunizieren bzw. eine gemeinsame Entscheidung finden. Ein europäisches Forscherteam hat unter der Leitung der UniversitätGraz Roboter entwickelt, welche die soziale Sprache der Schwärme erlernen, imitieren und auch das soziale Verhalten dieser Gruppen beeinflussen können.
Bienen im Schwarm können Aufgaben lösen, an denen ein Individuum scheitern würde. So haben die Forscher des "Artificial Life Lab" an der Universität Graz u.a. bereits beobachtet, wie es junge Honigbienen schaffen, im Stock den Platz mit der für sie optimalen Temperatur zu finden. Hierbei sind etwa die Begegnungen der Tiere entscheidend: Treffen zwei Jungbienen aufeinander, verharren sie für einen Augenblick, und zwar umso länger, je näher sich der Treffpunkt am optimalen Temperaturbereich befindet, wie Thomas Schmickl, der Leiter des "Artificial Life Lab" und Leiter des EU-Projektes ASSISI, gegenüber der APA schilderte.
Roboter sind ein wichtiges Werkzeug geworden, um das Verhalten von Tieren in Schwärmen zu untersuchen und deren Entscheidungsfindungsprozesse zu verstehen. Die kleinen tierähnlichen künstlichen Intelligenzen sind mittlerweile so gut entwickelt, dass sie in spezifische Tierschwärme eingeschleust werden und mit der jeweiligen Tiergruppe als biohybrides System interagieren können. Auch Schmickl und seine internationalen Kollegen haben in den vergangenen Jahren im EU-Projekt ASSISI bei Bienen und Fischen intensiv nach weiteren Mechanismen von schwarmintelligentem Verhalten gesucht und versucht, sie in Algorithmen abzubilden und auf Roboter zu übertragen. Ihre neuesten Experimente mit biohybriden Systemen von Bienen und Fischen hat die ASSISI-Gruppe um Erstautor Frank Bonnet von der Ecole Polytechnique Federale de Lausanne in der jüngsten Ausgabe von "Science Robotics" publiziert. Dabei haben die Roboter einen Kanal der indirekten Kommunikation zwischen den zwei Tierarten geöffnet.
Honigbienen als Versuchsobjekte
"Wir wollten auch wissen, ob Roboter es Tieren ermöglichen können, Dinge zu tun, die sie sonst nicht tun können - etwa mit Arten kommunizieren, mit denen sie im eigenen Ökosystem nicht konfrontiert werden, oder über Hunderte Kilometer hinweg einen Konsens erzielen", schilderte der Grazer Zoologe Schmickl. Das ASSISI-Team hat das in Experimenten erstmals bestätigt.
Die Forscher konzentrierten sich bei ihren Versuchen auf Honigbienen und Zebrafische, die beide für ihre Schwarmintelligenz bekannt sind. In jahrelanger Arbeit entschlüsselten sie deren kollektive Entscheidungssysteme und entwickelten daraufhin auf Grundlage von evolutionären Algorithmen Roboter, die sich den Tierschwärmen anpassten und lernten, mit ihnen zu interagieren. Die Roboter waren jeweils mit Tierverfolgungssensoren oder Kameras ausgestattet und so programmiert, dass sie Richtungsstimuli - Hitze für die Honigbienen und Schwimmbewegungen für die Fische - aussenden und die Tiere anweisen konnten, sich nach rechts oder links oder im bzw. gegen den Uhrzeigersinn zu bewegen, wie Schmickl erzählte.
Versuche in der Arena
Die Versuche liefen in kleinen, klar begrenzten Arenen in Graz bzw. Lausanne in der Schweiz ab. In den Versuchsanordnungen ließen die Forscher etwa den Bienenroboter Informationen über den Bienenschwarm sammeln und an den mehr als 600 Kilometer entfernten Fischroboter im Becken der Kollegen in Lausanne schicken und umgekehrt. Sowohl die Honigbienen als auch die Zebrafische konnten die von den Robotern ausgesendeten Impulse wahrnehmen und auf sie reagieren, genau wie auch die Roboter die Tiere um sie herum wahrnehmen und auf sie reagieren konnten, fasste Schmickl zusammen. Das Ganze ging vonstatten, ohne dass die Forscher weiter eingreifen mussten. Allerdings ging die Konsensfindung nicht ganz schnell ab - es konnte bis zu 30 Minuten dauern.
"Wir haben jetzt einen 'Proof of Concept', dass Roboter zwischen zwei Tierarten eine ökologische Verknüpfung herstellen können, interagieren und ihre gemeinsame Entscheidungsfindung vorantreiben können", resümierte Schmickl. Für die Forschergruppe erscheint es nunmehr durchaus denkbar, dass solche Roboter in Zukunft in Gruppen in freier Wildbahn eingesetzt werden können: Einerseits könnte der Mensch die unübertroffenen Wahrnehmungsfähigkeiten und das reichhaltige Verhaltensrepertoire möglicherweise selbst für künftige Anwendungen nutzbar machen. Mit der neuen Technologie könnte es für den Menschen langfristig aber auch leichter werden, auf Tiergesellschaften in immer leichter verwundbaren Ökosystemen Einfluss zu nehmen und ein besseres Umweltmanagement zu ermöglichen. (APA)