Explosive Massenauswürfe auf der Sonne sind für die stärksten Störungen des Weltraumwetters verantwortlich. Ein Forscherteam mit österreichischer Beteiligung hat analysiert, wie sich so eine solare Eruption aus einer Vielzahl an sehr kleinen Plasmastrukturen in Form von einzelnen magnetischen Flussröhren entwickelt und darüber in der jüngsten Ausgabe des Fachjournal "Science Advances" berichtet.
Von der Sonne strömen kontinuierlich elektrisch geladene Teilchen in den Raum und bilden den sogenannten Sonnenwind. Bisweilen wird der abströmende Sonnenwind jedoch durch riesige Auswürfe von magnetisierter Sonnenmaterie unterbrochen, den koronalen Massenauswürfen (CME). "Dabei werden riesige Wolken von magnetisiertem Sonnenplasma in den interplanetaren Raum geschleudert, wo sie sich mit Geschwindigkeiten bis zu einigen Millionen Kilometern pro Stunde ausbreiten", erklärte Astrid Veronig vom Institut für Physik der Universität Graz und Observatorium Kanzelhöhe.
Veronig hat die Vorgänge auf der Sonne seit vielen Jahren im Visier. Ziel ist es, durch ein tief gehendes Verständnis der hochenergetischen Prozesse, genauere Vorhersagen über die zu erwartenden Auswirkungen für die Erde machen zu können. Denn die Folgen der koronaren Masseauswürfe können enorm sein: Wenn die Sonnenstürme Erdnähe erreichen, werden sie zwar vom irdischen Magnetfeld abgelenkt. Dennoch können diese geladenen Teilchen vereinzelt in die Erdatmosphäre eindringen und elektromagnetische Störungen verursachen, die den Flugverkehr und Transformatoren gefährden. Die induzierten Ströme können auch Kommunikations- und Energiesysteme in Mitleidenschaft ziehen.
Die Beobachtungen, die Veronig gemeinsam mit der chinesischen Dissertantin Tingyu Gou (University of Science and Technology China, USTC) gemacht hat, bringen neue Erkenntnisse über den Entwicklungsverlauf dieses energiereichen Prozesses im Bereich der Sonnenkorona ans Licht. Dabei spielen sogenannte magnetische Flussröhren (Flux Ropes) eine besondere Rolle.
Die beiden Forscherinnen haben NASA-Daten einer CME aus dem Jahr 2013 vom Solar Dynamics Observatory (SDO) sowie der Satellitenmission RHESSI ausgewertet. Aus diesen Informationen über Dichte, Temperatur und Magnetfeld des Sonnenplasmas und seiner hochenergetischen Teilchenströme konnten sie die kleinskaligen physikalischen Prozesse bei der "Geburt" einer CME rekonstruieren und simulieren.
Was sich dabei zuträgt, klingt beeindruckend: "Alles beginnt mit vielen kleinen magnetischen Flussröhren von einigen Tausend Kilometern Durchmesser, die sich nacheinander durch Magnetfeldverschmelzung ablösen, wodurch - ähnlich dem Schneeballeffekt - immer großräumigere Strukturen entstehen, bis die magnetischen Flussröhren innerhalb von dreißig Minuten Ausmaße von mehreren Millionen Kilometern erreichen", beschrieb Veronig den Vorgang anschaulich. Die Erkenntnis, dass die Flux Ropes am Beginn der Sonneneruptionen stehen, ist nicht neu, die neuen Beobachtungen liefern aber eine vertieften Einblick. Er soll nun aber in weitere Modelle einfließen und die Verwirklichung der Vision von einer besseren Vorhersage des explosiven Sonnenphänomen vorantreiben.