Während deutsche Städte auf die Stickoxid-Misere mit Diesel-Fahrverboten reagiert haben, lehnen Landes- und Stadtregierung verkehrsbeschränkende Maßnahmen für Graz ab, und das auch mit Verweis auf die Messdaten in der Landeshauptstadt, wo zuletzt nur eine der sechs offiziellen Messstationen eine (knappe) Überschreitung der Jahreslimits für den Schadstoff aufgezeichnet hat. Diese eine Station liege im verkehrsnahen Bereich in Don Bosco, sei also nicht sehr repräsentativ für die Stadt, streuen Kritiker ein.
Jetzt wird deutlich: Sie dürfte tatsächlich nicht hundertprozentig repräsentativ sein – allerdings in gegenteiliger Hinsicht. Denn um ein besseres Bild von der Gesamtlage in Graz zu bekommen, hat die Landesregierung im Vorjahr zusätzliche Stickoxid-Messungen an elf alternativen Standorten veranlasst. Das Ergebnis liegt der Kleinen Zeitung vor: Acht der elf Messungen ergaben im Jahresschnitt teils deutliche Überschreitungen des EU-Limits von 40 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft. Der nationale Grenzwert von 35 Mikrogramm wurde gar nur an einer einzigen Station eingehalten.
Besonders schlimm ist die Lage am Geidorfplatz. Mit 81,6 Mikrogramm liegt der NO2-Wert dort mehr als doppelt so hoch wie erlaubt. Im Brauquartier Puntigam wurden 61 Mikrogramm NO2 verzeichnet, am Hauptbahnhof 59.
Werner Prutsch, Leiter des Grazer Umweltamts, überraschen die Zahlen nicht. „Es ist immer eine Kombination aus Verkehrsbelastung und Durchlüftungssituation. Denn bei den Stickoxiden ist der Verkehr eindeutig Hauptverursacher.“ Rechtlich haben die neuen Messungen vorerst keine Relevanz, denn offiziell zählt nur, was die sechs dauerhaften Messstationen auswerfen.
Politisch allerdings gehen die Wogen hoch. „Diese Zahlen sind alarmierend. Und die höchsten Werte gibt es ausgerechnet in Gegenden mit großer Wohndichte“, sagt die grüne Umweltstadträtin Judith Schwentner und verweist auf das laufende Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich. Zusätzlich brisant: Am Lazarettgürtel lag der NO2-Wert mit fast 57 Mikrogramm ebenfalls deutlich zu hoch. Just dort plant die Stadt eine neue Unterführung für die Josef-Huber-Gasse. Die Grünen fühlen sich in ihrer Ablehnung dieses „Verkehrsmagneten“ bestätigt. „Angesichts dieser Zahlen wäre es grob fahrlässig, daran festzuhalten“, sagt Schwentner, die weiter den Straßenbahnausbau über den Griesplatz fordert: „Wir brauchen in diesen Gegenden Verkehrsmaßnahmen, die keine weiteren Abgase produzieren.“