Der steirische Katastrophenschutzreferent und LHStv. Michael Schickhofer (SPÖ) hat am Freitag mit den Einsatzorganisationen eine vorläufige Bilanz der Schnee- und Lawinensituation der vergangenen 14 Tage gezogen: Rund 6000 Helfer waren mehr als 100.000 Stunden aktiv. "Die Intensivphase ist beendet, wir bleiben in Bereitschaft", sagte er in der Landeswarnzentrale. Die Einsätze werden nun analysiert.
Noch zu Beginn der vorläufigen Bilanz richtete Schickhofer einen eindringlichen Appell an Bevölkerung und Urlauber, den Anweisungen der Einsatzkräfte weiterhin zu folgen und Absperrungen nicht zu missachten: "Nach 14 Tagen und Nächten sind noch rund 20 Personen nicht oder schwer zu erreichen, die meisten Straßen sind wieder befahrbar. Das Zusammenspiel der Einsatzkräfte in diesem Ausnahmeereignis hat in hoch professioneller Art funktioniert."
Offen ist nun auch wieder der Seeberg - die Verbindung zwischen Mariazell und Bruck. Ein Räumtrupp hat zuvor die Straße wieder befahrbar gemacht:
Straße wird geräumt: Seeberg bald wieder offen
Ebenso wieder offen sind unter anderem wieder die Landesstraße L 706 sowie die dortigen Gemeindestraßen, die B 138 über den Phyrnpass und die B 24 zwischen Wildalpen und Weichselboden sowie der Seebergsattel (B 20), die Zufahrtsstraße zur Planneralm und die Straße nach Johnsbach im Gesäuse. Nach wie vor gesperrt sind steiermarkweit acht Straßenabschnitte, darunter die L 701 zwischen Bad Aussee und Obertraun, die L 113 über das Niederalpl, die L 711 von Ramsau in Richtung Filzmoos und die L 117 über den Pfaffensattel.
"Was uns betroffen gemacht hat, waren in den vergangenen zwei Wochen die zwei Todesopfer und der Schwerverletzte", sagte Schickhofer. In der Sölk war ein Mann von einer Dachlawine verschüttet worden, er konnte nur noch tot geborgen werden. In Mariazell war ein Lehrer bei einem Schulskikurs von der Piste geraten und in den Schneemassen umgekommen: "Im Namen von uns allen möchte ich tiefe Anteilnahme zum Ausdruck bringen. In der Ramsau haben wir die Gefährlichkeit der Einsätze selbst erlebt: Kurz vor der Einsatzbesprechung stürzte ein Feuerwehrkamerad im Gebäude durch eine Glaskuppel sechs Meter tief und wurde schwer verletzt. Es ist der hohen Professionalität der Einsatzkräfte zu danken, dass es so wenig Unfälle gegeben hat", sagte Schickhofer.
Feuerwehrmann stürzt durch Dachluke: LH-Stv. Schickhofer schildert den Unfall
Rund 15 Lawinen waren nicht künstlich ausgelöst worden, sondern von selbst abgegangen, wobei es sich hier nur um die größeren handelte, wie jene in der Ramsau, die den Ortsrand erreichte. Es gab bis zu 50 Straßensperren, bis zu 2500 Personen auf einmal seien abgeschnitten oder schwer erreichbar gewesen. 157 Bewohner wurden aus Ortschaften herausgebracht, dazu 685 Touristen, bilanzierte der Katastrophenschutzreferent. 40 Lawinenkommissionen hätten rund um die Uhr gearbeitet und seien teils mit Schneeschuhen und Tourenski im gefährlichen Gelände unterwegs gewesen - und unter widrigsten Windverhältnissen in Helikoptern: "Es beutelt dich anständig, wenn du bei einem solchem Wind im Hubschrauber bist. Da geht nicht alles über Technik, das ist höchste Kompetenz beim Fliegen", sagte Schickhofer.
Rund 5.000 Feuerwehrleute aus allen Bezirken hätten geholfen. "Für die Standortfeuerwehren waren die vergangenen 14 Tage eine unmenschliche Belastung. In Bad Mitterndorf waren sie acht Tage ununterbrochen beim Schneeschaufeln, von der Bergrettung abgesichert. Dachabschaufeln klingt so locker, aber da gibt es eigene Kurse an der Feuerwehrschule Lebring", berichtete Schickhofer. In abgeschnittenen Gebieten sei die Kapazität der medizinischen Kräfte vorübergehend erhöht worden, zum Teil mit Freiwilligen aus den südlichen Bereichen. Aus seiner Sicht sei dies ausreichend gewesen, sagte der Referent vor dem Hintergrund von Kritik der Landtagsopposition.
Schickhofer lobte neben Polizei, Bundesheer, Bezirkshauptmannschaften und Straßendiensten auch Unternehmer, Landwirte und Hoteliers: "Sie haben Personal, Gerät und Unterkünfte zur Verfügung gestellt, ohne etwas zu verlangen." Das nicht so betroffene Kärnten habe sofort Schneefräsen und Gerät in die Steiermark geschickt. "Ich bin überzeugt, all diese Helden werden auch künftig alles liegen und stehen lassen, um in den Einsatz zu gehen", sagte der LHStv., der den Helfern künftig rechtlich Rückendeckung geben will. "Diese Einsätze müssen nachhaltig geregelt werden. Wir müssen ein Regelwerk schaffen, damit sie nicht mehrere Tage Urlaub nehmen müssen, bzw. sollte für die Kosten der Arbeitgeber aufkommen. Wir hatten rund 50.000 freiwillige Einsatzstunden. Bei 30 Euro pro Stunde sprechen wir da von rund 1,5 Millionen Euro, da sollten wir eine sachliche Lösung finden." Neben einer umfassenden Analyse des Einsatzes werde es auch eine Konferenz der Katastrophenschutzreferenten der Länder geben.
Chefs der Einsatzkräfte voll des Lobes
Die Chefs der steirischen Einsatzorganisationen zogen am Freitag in der Landeswarnzentrale Bilanz zur Schneesituation und zeigten sich voll des Lobes über die Kooperationen. Allein die Feuerwehren kamen auf über 50.000 Stunden in den vergangenen 14 Tagen. Allerdings, gaben die Chefs von Rotem Kreuz, Bergrettung, Feuerwehr, Polizei und Heer zu bedenken, seien noch nicht alle Einsätze abgeschlossen.
Landesfeuerwehrkommandant Reinhard Leichtfried nannte 1.293 Einsätze in 14 Tagen, davon 827 in den nördlichen Bezirken, geleistet von 506 der 771 steirischen Feuerwehren. "Alle 16 KHD, also die Katastrophenhilfsdienste aus allen Bezirken waren im Einsatz. Alleine am vergangenen Wochenende waren über 1.000 Männer und Frauen im Schneeeinsatz, großteils wurden Dächer abgeschaufelt", sagte Leichtfried. Dies seien über 50.000 Einsatzstunden. Die Arbeitgeber der Helfer seien da positiv gegenüber den Freiwilligen eingestellt gewesen.
Rund 380 Soldaten im Einsatz
Der steirische Militärkommandant, Brigadier Heinz Zöllner, sagte, in der Luft seien österreichweit 110 Soldaten mit mehreren AB-212, S-70 und Alouette III im Einsatz gewesen, auf die Steiermark lasse sich die Zahl noch nicht herunterrechnen. "Zu den Aufgaben der Helikopterbesatzungen zählten Erkundung, Rettung, Lawinensprengung und das Freimachen von Stromleitungen und Bäumen mittels Rotorabwind, dem sogenannten Downwash". Bis zu 269 Soldaten seien am Boden eingesetzt worden, Reserven wären noch da gewesen. 46 Schadstellen wurden abgearbeitet, rund 11.500 Mannstunden geleistet. "Als ich die Bilder des von einer Lawine erfassten Hotels in der Ramsau gesehen habe, habe ich selbst nicht gedacht, dass es die Soldaten so rasch frei räumen können", sagte Zöllner. Sprengstoff für Lawinensprengungen sei von den Standorten Hieflau, St. Michael und Aigen gestellt worden.
Laut Bergrettung Steiermark-Chef Michael Miggitsch waren 38 von 53 Ortsstellen betroffen, teilweise seien sie permanent im Einsatz gewesen, "teils abgeschnitten und auf sich alleine gestellt, mit Ausnahme der Luftunterstützung von Polizei und Bundesheer". Zu den Aufgaben haben u.a. Assistenzleistungen wie die Begleitung von Ärzten im schwierigen Gelände und Medikamententransport in abgeschnittene Gebiete gezählt. "Die Einsätze gehen am Wochenende ja weiter. Und noch haben wir keine genaue Einsatzstatistik. Priorität hat derzeit die Schaufel, nicht der Computer". Er rechne mit rund 25.000 Einsatzstunden, bis alles abgeschlossen sei.
230 Polizisten extra abgestellt
Landespolizeidirektor Gerald Ortner berichtete, dass rund 130 Kollegen zusätzlich für die betroffenen Bereiche abgestellt wurden. Gesamt seien über 1.500 Polizisten im Einsatz gewesen, bei Überwachung und Durchführung von Straßensperren sowie Unterstützung bei Evakuierungen, auch bei zahlreichen Verkehrsunfälle. Vier Hubschrauber, u.a. aus Graz, Klagenfurt und Wiener Neustadt seien zur Verfügung gestanden, Einsatzreserven am Boden gebildet worden.
Alexander Podesser, Chef der ZAMG Steiermark, erläuterte nochmals die Wetterlage, die zu dem Jahrhundert-Schneeereignis geführt hatte: "Ein Azorenhoch führte Störungen an den Alpenrand, dadurch hat es 14 Tage mit Schneefällen und nie Schönwetterphasen gegeben". Dies ergab bis zu sechs Meter Neuschnee und nur einen einzigen Tag für Flugwetter. Ein "Vorteil" aus lawinentechnischer Sicht sei es aber doch gewesen, dass sich nie die Sonne gezeigt habe, denn dies hätte für weitere Instabilität von Schneemassen gesorgt. Wie viel Schnee teils in der Steiermark fiel, zeigte laut Podesser der Pegel am Loser im Ausseerland. "Wir haben schon zuvor die Sonde auf sieben Meter verlängert, konnten aber bei sechs Meter Schneehöhe nicht mehr messen". Gleiches galt im Gesäuse, Solarpanele zur Energieversorgung waren eingeschneit. "Und drei rote Schneewarnungen mit der höchsten Lawinenwarnstufe fünf hintereinander sind einzigartig. Zudem hat der anhaltende starke Wind Vorhersagen unmöglich gemacht", sagte Podesser. Die Meteorologen und die Lawinenkommissionen hätten alleine bis zu 50 Flugstunden in Polizeihubschraubern verbracht, um die Lage einschätzen zu können.
"Menschen die Angst nehmen"
Rotkreuz-Präsident Werner Weinhofer sagte, eine der Aufgaben sei es auch gewesen, den Menschen die Angst zu nehmen, dass sie nicht betreut werden könnten. Weinhofer lobte die "tolle Zusammenarbeit" z. B. mit der Feuerwehr: "Sie mussten uns den Weg freimachen, so dass wir überhaupt zu den Gehöften kommen konnten". Das sei keine Selbstverständlichkeit in dieser Situation, dass das so funktioniert habe. "Jeder, der Versorgung benötigte, hat sie bekommen", sagte Weinhofer. Rund 28.000 Stunden wurden geleistet, von Hauptberuflichen und Freiwilligen, auch aus nicht vom Schnee betroffenen Bezirken. "Es funktioniert, auch wenn höhere Gewalt vorliegt", bilanzierte der Rotkreuz-Präsident.
Günter Hohenberger, Leiter der Landeswarnzentrale, der über 14 Tage mit einem reduzierten Team von zehn Mann (einige neue Leute sind nach einigen Pensionierungen erst in Ausbildung, Anm.) die Anforderungen koordinierte, sprach von über 100 Assistenzbitten an Polizei und Heer, und über 150 an die Bergrettung. Dazu kamen noch tausende Telefonanrufe bzw. zu treffende Abstimmungen mit den Bezirkshauptmannschaften, Bürgermeistern, Lawinenkommissionen und den Einsatzorganisationen.