In eingeschneiten Orten der Obersteiermark sieht man dieser Tage Bauern für ihre Nachbarn Brot backen und direkt die Milch liefern. Nahversorgung als Fingerzeig für die Zukunft?
FRANZ TITSCHENBACHER: Natürlich wünscht sich niemand eine solche Notsituation ...
MARIA PEIN: ... aber es zeigt, dass wir es wieder mehr zu schätzen wissen müssten, alle Lebensmittel zu jeder Zeit zur Verfügung zu haben.
WERNER BRUGNER: Die Anforderungen an Bauern ändern sich stark, weil sich die Gesellschaft ändert. Der Konsument wird kritischer, älter, einsamer, er hinterfragt viel mehr. Wir sind ja da, um die Gesellschaft nach ihren Wünschen gesund zu versorgen. Das bietet viele neue Chancen, aber viele Herausforderungen, wie wir produzieren (müssen).
Vor allem günstig, oder?
BRUGNER: Es wird immer eine große Schicht geben, die sich günstig ernähren will. Da sind wir im internationalen Wettbewerb und müssen uns so aufstellen, dass wir das gewährleisten können. Aber es gibt auch viele neue Wege, von Bio-Ökonomie bis Ab-Hof-Vermarktung.
Wolf, Mountainbiken, Pestizide – in vielen Lebensbereichen driften die Ansichten von Produzenten und Konsumenten auseinander. Wie ist diese Kluft zu kitten?
TITSCHENBACHER: Wir sind bei Tierwohl oder Pflanzenschutz in einer Stimmungsdemokratie gelandet. Wir müssen das wieder Richtung Wissensdemokratie lenken, ein realistisches, nicht verklärtes und nicht dramatisiertes Bild unserer Landwirtschaft vermitteln.
BRUGNER: Dazu ist es nötig, Dinge wieder auf Faktenbasis zu stellen. Wenn Sie den Greenpeace-Wasserbericht von November hernehmen, da wurde viel Wirbel gemacht, den man selbst bei der Gewässeraufsicht nicht nachvollziehen konnte.
PEIN: Da ging es um die im Wasser nachgewiesenen Antibiotika. In der Tierhaltung werden diese längst nicht mehr präventiv eingesetzt, sondern nur als Medikation. Die Landwirtschaft ist nicht immer Verursacher. Der Anteil der von Menschen ausgeschiedenen Antibiotika ist hoch. Wir Bauern wollen nicht die ganze Zeit den schwarzen Peter zugeschoben bekommen.
Auch nicht, wenn morgen steirische Bauern wegen möglicher Grenzwertüberschreitungen vor Gericht stehen?
TITSCHENBACHER: Sicher tut das weh. Wir gehen davon aus, dass unsere Bauern mit großem Verantwortungsgefühl wirtschaften, und hoffen, dass beim Prozess das bewiesen wird.
Müssen Höfe gläserner werden?
TITSCHENBACHER: Es gibt eine große Transparenz, vom Tag der offenen Stalltür bis zu Hof-Aktionen der Direktvermarkter. Aber es gibt Ausnahmesituationen, etwa wenn Tiere infolge einer Krankheit verenden, da prallen oft Weltbilder aufeinander. Glauben Sie uns, Tierwohl liegt den Bauern selbst am Herzen. Nur wenn die Tiere gesund sind, ist der Betrieb gesund.
BRUGNER: Dazu kommen die vielen Kontrollen bei Pflanzen- und Tierschutz. Die Bürokratie wird vielen schon fast zu viel.
Häufig stehen sich Bauern und NGOs unversöhnlich gegenüber. Warum sucht man nicht das gemeinsame Gespräch?
TITSCHENBACHER: Das haben wir versucht. Man wird sich aber gegenseitig schwer überzeugen.
BRUGNER: Wenn ich mir die Initiatoren des Tierschutz-Volksbegehrens ansehe, sehe ich eine Gesprächsbasis, die wir ausbauen sollten. Wenn es aber zu Fundamentalismus wird, oder, wie geschehen, mit der Kamera in der Hand bei uns oder in Ställen eingebrochen wird, und sich Leute anketten, ist das keine vertrauensbildende Maßnahme.
Zwischen Bauer und Kunde ist der Handel. Reicht es als Interessenvertreter zu sagen: „Der Handel ist so böse und übermächtig“?
TITSCHENBACHER: Alle wissen: Es geht nur miteinander. Leider zeigten zuletzt manche Handelspraktiken, dass das nicht immer auf Augenhöhe passiert.
BRUGNER: Es sind die ständig neuen Standards, die der Handel bei seinen Markenprogrammen vorgibt. Beispiel: Eine Kette verlangt, dass es binnen zwei Jahren keine Milch aus Anbindehaltung mehr gibt. Das würde bei all den Umbauten einen fünf Cent höheren Milchpreis benötigen. Angeboten wurde aber nur die Hälfte. Der Bauer darf nicht auf den Kosten sitzen bleiben. Nach vielen Gesprächen sind wir aber dabei, gemeinsam eine Lösung zu finden, die auch am Berg mit nur sieben Kühen umsetzbar ist.
PEIN: Wir Bauern wären sofort bereit, mehr Bio-Schweinefleisch zu produzieren. Aber es ist der Markt nicht da, der einen höheren Preis dafür bezahlt.
Wie ist dann der Ausweg?
PEIN: Der Ausweg ist die verpflichtende Herkunftskennzeichnung. Nur wenn gut ersichtlich ist, dass neben Fleisch aus Österreich ein günstiges, nach niedrigeren Standards produziertes Fleisch aus dem Ausland liegt, lassen sich Preisunterschiede nachvollziehen.
Die Forderung gibt es schon lange. Wann wird umgesetzt?
TITSCHENBACHER: Es steht im Regierungsprogramm. Gleichzeitig stellen in der Gastronomie immer mehr freiwillig um, weil sie sehen, dass sie selbst was davon haben, heimische Ware anzubieten. Stärker gelingen muss das auch noch bei den Eigenmarken, dass der Produzent draufsteht. Sonst ist man schnell austauschbar.
Warum bestimmt der Handel, wie produziert wird, und nicht die Bauern?
PEIN: In einigen Punkten ist das gut gelungen, denken Sie an die herkunftsgeschützten Produkte Käferbohne, Kürbiskernöl oder Kren, da haben wir die Produktionsbedingungen in der Hand.
BRUGNER: Immer dort, wo du in einem Massenprodukt bist, tust du dir schwer. Wir wollen in einem gewissen Maß Produzenten auch animieren, Alleinstellungsmerkmale zu finden.
PEIN: Gerade in der Tierhaltung ist das bis dato noch nicht ausreichend gelungen. Das macht es so schwer, mit unseren kleineren Strukturen mit den großen mithalten zu müssen.
Dürre, Hagel, Schneemassen: Der Klimawandel führt häufiger zu Wetterextremen. Wie kann man sich darauf einstellen?
TITSCHENBACHER: Die Land- und Forstwirtschaft muss auch Teil der Lösung sein. Stichwort erneuerbare Energien.
BRUGNER: Weil wir in der Emissionsdebatte oft genannt werden: Wir sind der einzige Bereich, in dem der CO2-Ausstoß seit 1990 gesunken ist. Wollen wir das 2-Grad-Ziel erreichen, ist eine ökologische Steuerreform Gebot der Stunde. Nur darf man es nicht machen wie Frankreich, wo nur Treibstoff besteuert und Arbeit nicht entlastet wird. Dann hast du Proteste.
Ulrich Dunst