Im Grazer Straflandesgericht ist der Prozess gegen 17 Anhänger der rechtsradikalen Identitären Bewegung Österreich (IBÖ) am Donnerstag vorerst zu Ende gegangen: Er endete großteils mit Freisprüchen. Verurteilt wurden Nebendelikte

Der Richter hat im Fall der schwerwiegenden Vorwürfe der Gründung einer kriminellen Organisation und der Verhetzung alle 17 Beschuldigten freigesprochen. Lediglich zwei Angeklagte wurden wegen Sachbeschädigungen bzw. wegen Körperverletzung und Nötigung zu Geldstrafen verurteilt.

Die Verurteilungen bezogen sich auf eine IBÖ-Aktion im weststeirischen Maria Lankowitz sowie auf jene in der Universität Klagenfurt. Bei letzterer erkannte der Richter eine Körperverletzung und eine Nötigung, da der Beschuldigte dem Rektor in den Bauch geschlagen haben soll. Der Angeklagte wurde zu einer Geldstrafe von 720 Euro verurteilt. Der andere Beschuldigte muss wegen Sachbeschädigung eine Strafe in der Höhe von 240 Euro bezahlen.

"Identitäre werden weitermachen"

IBÖ-Leiter Martin Sellner sagte nach Verhandlungsschluss, "die Identitäre Bewegung wird es weiterhin geben und wir werden auch weitere legale Aktionen machen." Auch die einzige Frau unter den Angeklagten meinte nach dem Freispruch, dass sie "weiterhin dabei sein" wollte.

Seit 4. Juli mussten sich die Beschuldigten wegen Teilnahme bzw. Gründung einer kriminellen Vereinigung verantworten, einigen wird auch noch Verhetzung, Nötigung, Sachbeschädigung sowie in einem Fall Körperverletzung vorgeworfen. Der Staatsanwalt bezeichnete sie als "selbstgerechte, selbst ernannte Patrioten." Der Verteidiger nannte die Vorwürfe "absurd" und "völlig überzogen".
Und später: "Was Herr Sellner und Herr Kurz sagen, darin erkenne ich keinen so großen Unterschied." 

Richter zu den Hintergründen

Die Kernaussage der Urteilsbegründung lautete: "Wenn eine Organisation im Kernbereich legale Tätigkeiten ausübt, ist es keine kriminelle Vereinigung, auch wenn sich daraus Straftaten ergeben".
Der Richter erklärte, die Verhetzung sei zwar "unstrittig", der Bedeutungsinhalt sei aber mehrdeutig, daher wären die Anhänger der Identitären Bewegung Österreich (IBÖ) Angeklagten großteils freizusprechen.

Der Richter - der namentlich nicht genannt sein wollte - ging in seiner ausführlichen Urteilsbegründung auf die einzelnen Aktionen der IBÖ ein und begründete, warum alle 17 Angeklagten vom Vorwurf der kriminellen Vereinigung und der Verhetzung freigesprochen wurden. So sei seiner Meinung nach das Transparent "Islamisierung tötet", das vom Dach der Parteizentrale der Grünen heruntergelassen wurde "keine Kritik am Islam, sondern an der Grünen-Politik und dem radikalen Islamismus."

Die Aktion an der Klagenfurter Universität, bei der eine Vorlesung gestürmt worden war, "wies auf Gefahren des politischen und radikalen Islam hin, und diese waren im Herbst 2016 gegeben", so die Urteilsbegründung. Der Slogan der IBÖ "Integration ist Lüge" richte sich "nicht gegen Integration, sondern gegen eine verfehlte Politik." Die Lehrveranstaltung, die gestört worden war, hatte das Ziel, Integration zu fördern. "Diese Meinung kann man teilen, muss man aber nicht", meinte der Richter.

Da die Verhetzung weggefallen sei, "ist auch das Thema kriminelle Vereinigung abgehakt". Die Sachbeschädigungen seien keine Begründung für eine kriminelle Vereinigung, schloss der Richter.
Die beiden wegen Sachbeschädigung verurteilten Angeklagten gaben ebenso wenig eine Erklärung ab wie der Staatsanwalt, das Urteil ist daher nicht rechtskräftig.

Dicke Luft

Am zehnten und letzten Verhandlungstag waren wieder alle 17 Angeklagten im Gerichtssaal, einer von ihnen hatte allerdings erneut gesundheitliche Probleme. Er wurde auf einen anderen Platz gesetzt, an dem angeblich die Luft besser war.

Der Staatsanwalt ging mit den Beschuldigten hart ins Gericht: "Sie stellen sich als eine Front von Gesetzestreuen dar und begehen fortwährend Gesetzesbruch." Er sprach über die Sachbeschädigungen im Zuge diverser Aktionen, die vom IBÖ-Programm "Integration ist Lüge" ausgegangen waren. Dazu gehörte auch der Sturm einer Vorlesung in Klagenfurt, bei der der Rektor einen Faustschlag gegen den Bauch erhielt. Man hätte sich auch der Diskussion stellen können, so der Ankläger: "Sie sind für mich keine Front von Patrioten, sondern eine Front von Feiglingen."

Bei einer anderen Aktion wurde die einzige weibliche Angeklagte geschickt, Wände zu besprühen. "Sie ist auch ein Opfer, sie wäre von selbst nie auf so eine Idee gekommen. So geht man mit denen um, die man nicht als Elite sieht", war der Staatsanwalt in Hinblick auf die Hierarchie innerhalb der IBÖ überzeugt.

"Pseudomoralisten"

Im Zentrum der Anklage standen die kriminelle Vereinigung und die Verhetzung. "Sie vermeiden jede Differenzierung, weil Hetze einfacher ist. Sachkundige Kritik ist schwierig", warf der Ankläger den Beschuldigten vor, die er als "Pseudomoralisten, die vorgeben, den Staat zu beschützen", bezeichnete.

"Aktionistische Kritik"

Der Verteidiger betonte hingegen in seinem Schlussvortrag, die IB wäre "polemisch, aktionistisch, aber nie verhetzend" gewesen. Eine "aktionistische Kritik müsse von rechts" müsse zulässig sein. Es seien niemals Flüchtlinge direkt oder Organisationen wie die Caritas attackiert worden. Denn "damit spielt man sich nicht" (Zitat).

Die Aktion an der Uni Klagenfurt müsse "eine Universität aushalten", meinte der Verteidiger und fragte sich laut, warum die Körperverletzung gegenüber der Polizei damals nicht zu Wort gekommen wäre. 

Dass die diversen Aufkleber Sachbeschädigung im großen Stil sein sollen, nannte der Verteidiger  "absurd". Die Exekutive sei regelrecht "auf Pickerljagd" gegangen, um Beweise gegen seine Mandanten zu finden. 

16 Männer und eine Frau

Die Angeklagten - 16 Männer und eine Frau - im Alter zwischen 20 und 35 Jahren stammen aus fast allen österreichischen Bundesländern. Sie fühlten sich einheitlich nicht schuldig, obwohl sie die Aktionen selbst nicht abstritten. Doch von Verhetzung und gar krimineller Vereinigung könne keine Rede sein, hieß es in den Rechtfertigungen.