Es war ein Szenario, wie man es sonst nur aus den Tropen kennt: Wildeste Gewitter suchten am Montag Nachmittag und Abend zwischen Spielfeld und Graz die Steiermark heim. In Graz selber wurde ein absoluter Rekordwert registriert: 161 Liter pro Quadratmeter konnte Richard Gwaltl von der Zentralanstalt für Meteorologie im Bezirk Gries messen Das ist mehr als das Dreifache der Monats-Regenmenge, die ansonsten den ganzen April auf die Stadt fällt.
"Die Regenmengen und die Wettersituation war aber kleinräumig sehr verschieden", betont Meteorologe Albert Sudy. In Straßgang wurden 96 Liter gemessen, am Thalerhof 70. Kaum betroffen war der Osten der Stadt, die Hauptwucht bekam der Westen mit.
Wie dramatisch die Rettung der Autofahrerin Andrea Roj abgelaufen ist, sehen Sie in diesem Video:
Gerettete und Retter im Interview: "Danke, lieber Gott, danke, liebe Feuerwehr"
Ein Schadens-Überblick über die betroffenen Regionen
Doch wie kam es zu dieser Wettersituation?
Schon am Vortag schwante den Meteorologen, dass der Montag heftig werden könnte. Die Labilität der Luftmassen würde extem hohe Werte erreichen, buchstäblich alles war möglich. Die Zentralanstalt lancierte daher Orange-Warnungen (die dritte Stufe einer vierteiligen Skala), der Landesfeuerwehrverband wurde ebenso gewarnt wie die die Grazer Feuerwehr und die Landeswarnzentrale. Auch die Hagelabwehr wurde alarmiert und flog die ersten Einsätze des Jahres.
Dennoch erstaunte die Heftigkeit der Unwetter dann auch die Experten. Die ersten Gewitterzellen waren in Grenznähe ab 15 Uhr zu erkennen. Dann verlagerte sich das Geschehen nach Norden. Doch die Grazer ahnten nichts von dem Unheil, das gleich über sie hereinbrechen würde: "Das Gewitter war sicher für viele überraschend, weil es in der Früh bereits geregnet hatte und es eine Abschattung gab", sagt Sudy.
Doch dazu kam noch etwas: Die Gewitterfront blieb über Graz stehen. Sudy vermutet, dass der lokal erzeugte Abwind dazu führte, dass die Zugrichtung nach Norden aufgehalten wurde und die riesigen Gewitterzellen über der Stadt verblieben. Und dann: "Ein Sonnenstrahl war der Zündfunke", sagt Sudy.
Bei Wildon: Feuerwehr rettete mehrere Menschen aus Bach
Über der Stadt entlud sich ein gewaltiger Cluster an Gewitterzellen. Sudy schätzt, dass die Türme mindestens zwölf Kilometer hoch waren, dafür sprechen auch die Hagelkörner.
Zu dem Zeitpunkt war man im Süden der Steiermark schon massiv mit Rettungs-, Abpump- und Bergearbeiten beschäftigt. Denn punktuell kam es auch dort zu heftigsten Regengüssen. So etwa in Heiligenkreuz, wo 150 Liter gemessen wurden. Noch gerade "harmlos", aber in Wahrheit natürlich trotzdem extrem, waren mit 61 Litern die Verhältnisse in Lebring, in Kitzeck (65) oder in Mellach (73 Liter).
Auch Landwirtschaft betroffen
Von den Überschwemmungen sind ersten Schätzungen der Landwirtschaftskammer zufolge mehrere 100 Hektar Ackerflächen im Raum Graz bis Leibnitz unterschiedlich stark betroffen. Teils wurde auf den überfluteten Flächen bereits Mais gesät, was möglicherweise einen Neuanbau erforderlich macht und zusätzlichen Aufwand und Zusatzkosten verursacht. Das aktuelle Schadensausmaß lässt sich derzeit noch nicht abschätzen, zumal auf den überschwemmten Flächen noch immer Wasser steht. Ebenso wird sich auf den überfluteten Flächen der Anbau der wichtigen Ackerkulturen Mais, Soja und Hirse verzögern.
Wie geht es weiter?
Am Dienstag rückten die zuständigen der steirischen Landesregierung, Katastrophenschutz-Referent Michael Schickhofer und der für Hochwasserschutz zuständige Landesrat Hans Seitinger bereits in die betroffenen Gebiete aus.
"Ich danke unseren Feuerwehren, die wieder einmal Außergewöhnliches geleistet haben. Alle arbeiten mit Hochdruck daran, die Schäden aufzuarbeiten, Verkehrswege freizumachen und Keller auszupumpen. Gerade in diesen dramatischen Momenten sehen wir, wie schlagkräftig unser steirisches Feuerwehrwesen ist“, so Schickhofer in Wildon.
Laut Seitinger werden die aktuellen Ereignisse Anlass sein "die Prioritätenliste, welche Hochwasserschutzbauten als nächstes gebaut werden, wieder etwas umzuändern". Zuletzt war man - unwetterbedingt - ja stark im Raum Ennstal und Murtal tätig. Nach der Häufung von Unwettern in der Süd- und Südweststeiermark seit letztem Sommer werde man hier wohl einige Projekte nach vorn rücken.
"Gigantischen Schaden verhindert"
"Aber auch im Großraum Graz wurden in den letzten 10 Jahren 60 Millionen in Hochwasserschutz investiert", so Seitinger. Ohne den neuen Hochwasserschutz in Weinitzen oder beim Schöcklbach hätten wir in Graz heute einen viel gigantischeren Schaden zu beklagen." Konkret seien bis jetzt drei Viertel der Grazer Bäche seit Projektstart des "Sachprogramms Grazer Bäche" abgesichert, so der Landesrat. Aktuell seien gerade in Raaba und Gössendorf Bauarbeiten zum Hochwasserschutz im Gange.
Dennoch seien einige Faktoren - wie zum Beispiel der ohnehin hohe Murpegel aufgrund des Schmelzwassers - zusammegekommen. "Auch hätten die Kanäle in Graz noch mehr Wasser aufnehmehn können, wenn sie anfangs nicht vielfach durch Hagel verstopft worden wären.
Abschließen noch ein Video aus Fernitz-Mellach von Montagabend: