Am Vorabend des Krampustages debattierten Günther Jontes (Brauchtumsexperte), Christian Jauk (Sturm-Präsident), Gerhard Lecker (Leiter der sicherheitspolizeilichen Abteilung der Grazer Polizei) und Achim Wippel (Hikimus, Veranstalter von Krampus-Läufen) mit Claudia Gigler im Kleine-TV-Studio über den "Krampus, Tradition und Gewalt".
Die Diskussion zum Nachsehen:
Die wichtigsten Punkte:
Ist die Polizei am Krampustag sensibler?
Narrenfreiheit gibt es nicht. Lecker betonte, die Polizei werde am Krampustag sehr wohl Identitäten feststellen. Rechtlich habe man aber keine Möglichkeit, dem Krampus ein Alkverbot zu verordnen.
Warum verkleiden wir uns?
Der steirische Brauchtumspapst Jontes erinnert, man "war entweder ein Soldat oder einer, der an einer Veranstaltung teilnimmt". Man werde durch die Maske zu einem anderen Menschen. Und der Kramperl komme ja vom Wort Kralle: "Der Teufel im Mittelalter trug keine Hufe, sondern Krallen von Raubvögeln".
Das Maskieren hatte positive Seiten: "Es gab Bußprozessionen am Karfreitag mit 5000 Menschen in Graz. Die Sünder hatten sich unter Kapuzen verborgen". Aber auf der anderen Seite meinte Maria Theresia, es passiere so viel Unfug - und hat es verboten. Das Verbot "wurde aber immer wieder unterlaufen".
Haare ins Gesicht
Aus steirischer Sicht stammten "die einfachsten Masken aus dem Ennstal". Die Perchten waren Frauen, die in die Häuser schauten, ob es dort sauber ist. "Sie haben einfach die langen Haare ins Gesicht frisiert und waren so verborgen". Oder man hat Ruß verwendet.
Aliens am Umzug
Wie steht der Brauchtumsexperte zu Masken marke Hollywood bei Umzügen? Jontes "registriert, dass die Aliens auftreten. Mich stört, dass die Masken nicht neutral sind, sondern in einem Ausdruck eingefroren sind". Er erinnerte an die (neutralen) Halbmasken, wie sie in Venedig verwendet werden.
Was macht die Maske mit den Menschen?
Lecker weiß: "Unter der Maske fühlt man sich anonymer". Aber der "Krampus hat stets mit Brauchtum zu tun". Ausschreitungen und Aggression bei Umzügen haben eher abgenommen.
Bei Demos oder Fußballspielen würden sich Menschen hingegen oft vermummen, um "strafbare Handlungen zu verüben". Da hätte die Gewaltbereitschaft zugenommen.
War Jauk ein wilder Krampus?
Der Sturmchef verneinte. Er war nur "in seiner Jugend in Deutschfeistritz als Kramperl unterwegs". Seine Erinnerungen? "Man schwitzt unglaublich". Den Durst mit Alkohol zu löschen, wäre fatal gewesen. Daher "nimmt man die Maske ab. Wobei: Die Leute haben uns ohnehin gekannt".
Er selbst habe die Böller als "unangenehm in Erinnerung". Jauk denkt ebenso, die "Gewalt nimmt ab. Die Wahrnehmung, auch die mediale, aber hat sich verändert".
Was tun, um Übergriffe zu verhindern?
Wippel, der den großen Umzug mit 50 Gruppen mit 800 Kramperl und Perchten in Schladming veranstaltet hat, berichtete: "Wir haben Sperrgitter aufgestellt, Startnummern für jeden Teilnehmer - auch auf der Glocke." Und "wir haben alle Ausweise kopiert, damit man die Daten hat".
Die Security kontrollierte zudem die Ruten und nahm "Teilnehmer mit einer Alkoholfahne sofort aus dem Rennen". Wippel meint, dass der Aufwand immer größer würde. Er erinnerte an die vielen Sperrgitter oder Fahrzeuge zum Schutz, damit kein "Irrer in die Menschen rast".
Zankapfel Fußballfans
Abseits der Umzüge gibt ja noch vermummte "Fans". Lecker schilderte, dass es aus Polizeisicht "schlimmer geworden ist und Aggression zunimmt". Mit dem Pfiff zu Spielbeginn "schalten viele der Verstand ab". Außerhalb der Fußballarenen sei es ärger geworden. "Doch es ist so sicher wie noch nie im Stadion", konterte Jauk. Er, der Verein, die Spieler und natürlich auch die Fanklubs distanzieren sich von jedweder Gewalt.
Sind es Sturmfans "oder einfach Rabauken, die den Fußball als Vorwand für Gewalt nutzen?", hakte Gigler ein. Jauk betonte, man sei doch nicht die Polizei. Man sei Veranstalter, nicht aber für den Streit unter Fans unter der Woche verantwortlich. Er selbst breche eine Lanze für die Fans.
Kritik am Vermummungsverbot
"Damit haben wir keine besondere Freude", gestand Polizeihofrat Lecker. In der Steiermark habe es bisher keine einzige Anzeige gegeben. Sehr wohl wurden „Menschen darauf aufmerksam gemacht“.
Bei Demos gibt es ja schon seit 2002 ein Verhüllungs-Verbot.
Jontes erinnerte, dass auch der Karneval von Venedig einst viele Jahre lang verboten gewesen ist, da die Politik "vor verschwörerischen Elementen hinter den Masken" Angst hatte.
Keine Gefahr
Jauk befürchtete, dass "die Illusion einer völlig gewaltfreien Gesellschaft" zu einer Anlass-Gesetzgebung führen würde. Emotion und Leidenschaft dürften nicht unterdrückt werden. Jontes sah freilich "keine Gefahr, dass Fußball sich zu Billard entwickelt".