Mit Wut-Briefen des „Bauern Willi“ haben Sie es in TV-Shows und Zeitungen geschafft. Sind Ihnen Konsumenten böse, wenn Sie ihnen vorwerfen: „Sie kaufen Griller um 800 Euro und hauen Würste um 80 Cent drauf“?
ALOIS WOHLFAHRT: Konfrontation ist anfangs wichtig. Mit Friede, Freude, Eierkuchen kommst du nicht durch. Wir ermuntern jetzt aber beide Seiten zum Dialog. Wir dürfen nicht in der Konfrontation verharren ...
... so wie jetzt bei Glyphosat.
Genau. Die Bauern verteidigen Glyphosat und die anderen prügeln drauf ein und hinterfragen nichts. Das ist ein Drama.
Ihr Lösungsvorschlag?
Weiterreden! Wir haben das Dilemma, dass der Konsument den Bauern nicht versteht. Umgekehrt verstehen Bauern den Verbraucher nicht! Wenn auf bauerwilli.com Veganer und Landwirte zusammenkommen, ist das nicht immer lustig. Aber es ist wichtig, dass jede Seite zu Wort kommen darf. Bauern reagierten auf Kritik viel zu lange mit einem beleidigten: „Du hast ja keine Ahnung! Du bist ein Depp.“
Was sollen sie stattdessen tun?
Rhetorikseminare! Vorwürfen mit Argumenten begegnen! Bäuerliche Kurse richten sich zu oft nur Richtung Produktion.
Warum sind billige Lebensmittel laut Bauer Willi eine Sauerei?
Aus ökonomischen Zwängen ist mancherorts eine Landwirtschaft entstanden, die bei Menschen Widerstände hervorruft, wenn Schweine und Hühner zu Produktionseinheiten degradiert werden. Das passt zur „Heidi-Landwirtschaft“, die viele noch vor sich sehen. Umso wichtiger werden Marken. Die Bauern sitzen da auf einem Schatz, Marken genießen hohes Vertrauen, erzählen Storys. Aber: Man muss ehrlich sein.
Und wenn die Story nicht zur Realität passt? Wenn etwa Ferkel in der Werbung sprechen?
Das geht nicht! Das suggeriert, dass Schweine menschliche Wesen sind. Dann ist klar, dass sich Konsumenten aufregen und sagen: „Der Bauer macht das süße Schweinderl kaputt.“
Welchen Ausweg sehen Sie in der Billigpreisspirale?
Die Frage ist, wer hat angefangen, wer hat das Schwein zur Sau gemacht? Ist es der, der das Fleisch billig massenhaft produziert, oder derjenige, der das billige Fleisch fordert? Da ist der Bauer in einer Zwickmühle. Produziert er zu teuer, kauft der Handel Schweine in Spanien. So wurden Bauern zu anonymen, unter Preisdruck produzierenden, austauschbaren Rohstoffproduzenten gemacht!
Hat man sich zu lange nur aufs Produzieren und zu wenig aufs Verkaufen konzentriert?
Ja. Bauernverbände und Ausbildung legen den Fokus noch zu stark darauf, unter schwierigen Bedingungen ökonomisch das Beste rauszuholen. Aber Bauern sind doch Unternehmer! Und Unternehmer müssen sich Gedanken machen, was mit ihrem Produkt passiert. Auf Agrartechnikmessen laufen noch immer zu viele herum, die glauben, je mehr PS der Traktor hat, desto schöner die Frau. Es wäre besser, die Digitalisierung nicht nur fürs Produzieren zu nutzen, sondern fürs Vermarkten.
Was muss die Politik ändern?
Die Politik will zu sehr, dass es billige Lebensmittel in Hülle und Fülle gibt, damit die Leute Geld für andere Dinge ausgeben. Und was macht die Landwirtschaft? Sie liefert. Um jeden Preis.
Ulrich Dunst