Die Lage in Stiwoll ist auch am Tag 20 nach dem Doppelmord von 29. Oktober unverändert: Vom Gesuchten Friedrich Felzmann fehlt nach wie vor jede Spur. „Wir haben weder Hinweise, dass er Selbstmord verübt hat, noch dass er Fluchtelfer hatte und bei jemanden untergetaucht ist“, sagt Oberst Rene Kornberger, Leiter der Sonderkommission „Friedrich“. „Und auch auf möglichen Bunker haben wir keine konkreten Hinweise.“
Kein DNA-Treffer, Suche startet von vorn
Die DNA-Mischspur, welche die Spurensicherer des Landeskriminalamtes nach einem Einbruch am 4. November auf einem Bauernhof in Stiwoll sichergestellt hatte, brachte die Soko-Ermittler keinen Schritt weiter. Die DNA ist mit der DNA des mutmaßlichen Doppelmörders nicht identisch. Es sei trotzdem nicht auszuschließen, dass Felzmann den Einbruch begangen und sich aus der Tiefkühltruhe Lebensmittel besorgt hat, heißt es seitens der Soko.
Beantwortet von Chefreporter Breitegger: Vier Fragen zum Stiwoller Doppelmord
„Wir haben bisher schon alle uns zur Verfügung stehenden Mittel ausgeschöpft - und wir werden es weiterhin tun“, versichert Major Michael Lohnegger, Soko-Vizechef. „Wir suchen weiter, da gibt es kein zurück. „Und wir hoffen auf Kälte und Schnee.“
180 Hinweisen aus der Bevölkerung ist man laut Soko bisher nachgegangen. 110 Häuser, Hütten, Hochsitze und ein altes Bergwerk, zahlreiche Höhlen wurden durchsucht, teilweise mehrmals. „Zuletzt erst am Mittwoch dieser Woche, so Kornberger.
Auch der Einsatz von modernster Technik war bis jetzt erfolglos. Der Polizei-Flirhubschrauber, zwei Bundesheer-Husar und mehrere Spezialfahrzeuge der Polizei - alle mit Wärmebildkameras ausgerüstet - konnten keine Wärmequelle ausmachen, die zum Fahndungserfolg geführt hätte. Auch rund um den Auffindungsort des Fluchtfahrzeuges nicht.
Trotzdem vermutet die Polizei, dass sich der Gesuchte noch in der Gegend aufhalten könnte. „Der weiß, wie man sich im Wald verhält“, weiß Lohnegger. „Er hatte sich ja oft tagelang im Wald aufgehalten und ist seinem Hobby nachgegangen.“ In ganz Österreich sei er unterwegs gewesen und habe Wildtiere gefilmt.
Die Polizei ersucht die Bevölkerung weiterhin um Hinweise. Alle Hinweise würden gespeichert, ebenso alle Hütten, Gebäude und Hochsitze. Per Knopfdruck können die Analysespezialisten des LKA abrufen, welcher Hinweis bereits überprüft, welches Gebäude durchsucht wurde.
Chronologie der Ereignisse
29. Oktober 2017 - Der 66-Jährige feuert auf seine Nachbarn. Eine 55-jährige Frau und ein 64-jähriger Mann werden in Stiwoll im Bezirk Graz-Umgebung von mehreren Projektilen tödlich getroffen. Eine 68-jährige Frau wird bei der Flucht vor den Schüssen am Oberarm getroffen und überlebt schwer verletzt. Beim Eintreffen der Polizei fehlt vom Verdächtigen jede Spur. Er ist in seinem Auto geflüchtet, vermutlich mit seiner Waffe. Eine Großfahndung wird eingeleitet.
30. Oktober 2017 - Das Fluchtfahrzeug des 66-Jährigen, ein weißer Kleinbus, wird in einem Wald in Södingberg wenige Kilometer vom Tatort entfernt vom Polizeihubschrauber entdeckt. Der Bus ist versperrt und leer. Vom Täter fehlt weiterhin jede Spur. Schulen und Kindergärten der Umgebung bleiben auch nach dem Wochenende geschlossen. Der Bevölkerung wird geraten, zu Hause zu bleiben und wachsam zu sein. Indessen geben die Staatsanwaltschaften in Graz und Leoben bekannt, dass gegen den Verdächtigen schon seit Jahren Anzeigen unter anderem wegen gefährlicher Drohung und nationalsozialistischer Wiederbetätigung vorlagen. Einem Gutachten zufolge sei der Mann jedoch nicht zurechnungsfähig. Da er aber auch als nicht gefährlich eingestuft wurde, konnte er bisher nicht in eine Anstalt eingewiesen werden.
31. Oktober 2017 - Der Verdächtige bleibt weiterhin verschollen. Die Polizei verstärkt ihre Kräfte ein weiteres Mal, eine Hundertschaft ist auf der Suche nach dem 66-Jährigen, durchkämmt Wälder in der Umgebung und durchsucht leer stehende Häuser. Sowohl in Oberösterreich als auch in Niederösterreich gibt es Zeugenaussagen, dass der Flüchtige gesehen wurde. Sie stellen sich aber als Fehlalarme heraus bzw. die Beamten können den Mann in diesen Gegenden nicht fassen.
1. November 2017 - Die Suche nach Friedrich Felzmann wird fortgesetzt, die Allerheiligen-Prozession in Stiwoll wird aus Sicherheitsgründen abgesagt. Der Gottesdienst findet unter starkem Polizei-Aufgebot statt. Indessen durchsuchen Cobra-Einheiten ein Stollensystem eines alten Silberbergwerks, werden jedoch abermals nicht fündig. In Niederösterreich finden verstärkte Streifenfahrten statt.
2. November 2017 - Generalmajor Bernhard Treibenreif, Chef des Einsatzkommandos Cobra, vermutet, dass die Tat "nicht von langer Hand vorbereitet worden ist". Man gehe von einer sogenannten eruptiven Tat aus. Ein Polizist verletzt sich bei der Durchsuchung des Tatortes schwer, als er durch eine mit Heu bedeckte Luke stürzt. In einer Informationsveranstaltung in Stiwoll erhält die Bevölkerung Auskünfte aus erster Hand von Polizei und Behörden, was teils zur Entspannung der angespannten Situation im Ort beträgt.
3. November 2017 - Nach einem Hinweis aus der Bevölkerung verlagert sich die Suche an den westlichen Stadtrand von Graz: Zeugen wollen einen verdächtigen Mann vor der Volksschule von Thal bei Graz gesehen haben. Daraufhin wird der bewaldete Plabutsch zwischen Thalerseestraße und dem Fürstenstand von einer Suchkette der Polizei mit Hubschrauberunterstützung durchkämmt, aber ohne Ergebnis.
4. November 2017 - Die Polizei hat sechs Tage nach den tödlichen Schüssen auf Nachbarn in Stiwoll die Sonderkommission "Friedrich" zusammengestellt. Die Strategie bei der Suche nach dem 66-jährigen Verdächtigen wird abgeändert und verschiebt sich von großflächigen Screenings in Richtung Analyse und gezielten Überprüfungen. Indessen wurde das erste der beiden Todesopfer am Samstag verabschiedet.
5. November 2017 - Felzmann hat bereits im Jahr 2011 mit Waffengewalt gedroht. Wie das Landesgericht für Strafsachen Graz mitteilte, war er wegen versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt vor Gericht gestanden. Unterdessen findet sich Felzmann auch auf der Liste von Österreichs meistgesuchten Personen.
6. November 2017 - Acht Tage nach den tödlichen Schüssen gingen die Ermittler einer heißen Spur nach. Am Wochenende wurde in den Keller eines landwirtschaftlichen Wohnhauses unweit des Tatorts eingebrochen. Aus einer darin abgestellten Kühltruhe könnten möglicherweise Lebensmittel gestohlen worden sein, bestätigte Polizei-Sprecher Jürgen Haas. Im Umkreis wird nun verstärkt gesucht.
7. November 2017 - Das Heer stellt auf Basis einer Assistenzanforderung zwei gepanzerte Fahrzeuge vom Typ "Husar" für die Polizei zur Fahndung nach dem Todesschützen von Stiwoll. Es handelt sich um geschützte Mehrzweckfahrzeuge des Herstellers Iveco, die vor rund sieben Jahren in Dienst gestellt wurden. Eine Suche im Freilichtmuseum Stübing nördlich von Graz brachte keine neuen Spuren.
Video vom Polizei-Einsatz in Stübing
8. November 2017 - Die Polizei wird in der Suche nach dem auf der Flucht befindlichen mutmaßlichen Todesschützen von Stiwoll "mit heutigem Tag" ab sofort die massive Präsenz bewaffneter Kräfte in dem kleinen weststeirischen Ort und Umgebung reduzieren. Man gehe wie angekündigt zu einem kriminaltaktischem Verfahren über.
10. November 2017 - Der Fallanalytiker ("Profiler") des Bundeskriminalamtes, Werner Schlojer, geht von einer "tiefen Kränkung" als Auslöser der Bluttat von Stiwoll Ende Oktober aus: "Der mutmaßliche Täter fühlt sich als Opfer." Den tödlichen Schüssen auf zwei Nachbarn war ein jahrelanger Streit um einen Weg über sein Grundstück vorausgegangen. Schlojer und sein Team gehen nicht von einer "tiefer Tatplanung aus".