Das nach dem Bergsturz im schweizerischen Kanton Graubünden seit Mittwoch vermisste österreichische Ehepaar kommt aus Graz. Angehörige haben es bei der Kantonspolizei Graubünden offiziell als vermisst gemeldet. Es gab aber weder von Schweizer noch von österreichischen Behörden nähere Angaben zu den Personen.

Insgesamt wird nach acht Menschen gesucht, die in dem betroffenen Gebiet unterwegs waren, als schätzungsweise vier Millionen Kubikmeter Gestein vom Piz Cengalo auf das Bondasca-Tal niedergingen. Darunter sind noch zwei Deutsch-Schweizer und vier deutsche Staatsbürger.

Im unteren Talabschnitt des Bergell ist am Freitagnachmittag weiteres Material vom Piz Cengalo abgebrochen. Der Abbruch ereignete sich um etwa 16.30 Uhr. Das Material sei wie schon beim ersten Felssturz am Mittwoch bis ans Dorf Bondo geschoben worden, teilte die Bündner Polizei mit. Der Abbruch war erwartet worden. Dennoch musste der rund 120-köpfige Suchtrupp den Einsatz vorerst stoppen. "Die Wanderer sind seit mehr als 48 Stunden vermisst, die Hoffnung, sie zu finden, schwindet mit jeder Stunde", sagt der Sprecher der Kantonspolizei Graubünden, Markus Walser zur Kleinen Zeitung. Sollte die Suche endgültig gestoppt werden müssen, werde man die Vermissten wohl nie finden, fürchtet der Pressesprecher. Nach dem ersten Bergrutsch zurückgekehrte Einwohner seien aus Sicherheitsgründen erneut in Sicherheit gebracht worden.

Plötzlich sei erneut eine Staubwolke über dem Berg aufgestiegen, schilderte ein Fotograf: "Minuten später sah ich einen Fluss aus Matsch auf das Dorf niedergehen." Danach reichten die Erdmassen bei einigen Häusern bis zum Dach.

>> "Wir leben mit dieser Gefahr"

Bei den sechs anderen Alpinisten handelt es sich um zwei Schweizer aus dem Kanton Solothurn und vier Deutsche aus Baden-Württemberg. Sie sind nach Angaben schweizerischer Medien am frühen Mittwochvormittag von der Sciora-Hütte in 2.118 Metern Seehöhe aufgebrochen. Die Hütte befindet sich an einem Hang am Fuß der Sciora-Gruppe, zu der auch der Piz Cengalo gehört. Zwei der Wanderer wollten zur Hütte Sasc Furä, die anderen ins Tal und nach Hause, sagte Hüttenwart Reto Salis schweizerischen Medien. Das war weniger als eine Stunde bevor sich eine Bergspitze vom Cengalo-Massiv löste.

Suche fortgesetzt, Chancen schwinden

Die Suche nach den acht Vermissten ist am Freitag fortgesetzt worden. Etwa 120 Rettungskräfte waren mit Hubschraubern, Infrarotkameras und Suchhunden im Einsatz. Trotz der groß angelegten Aktion schwinden die Hoffnungen, die Wanderer zu retten.

48 Stunden nach dem Unglück seien die Überlebenschancen nicht mehr sehr hoch, sagte der Sprecher der Kantonspolizei, Roman Rüegg, bei einer Pressekonferenz am Freitag. Auch die Schweizer Bundespräsidentin Doris Leuthard äußerte sich pessimistisch. "Mit jeder Stunde steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die acht vermissten Personen tot sind", sagte sie am Donnerstag nach einem Besuch in der Unglücksregion der Zeitung "Blick".

Vorgewarnt

"Vor zwei Wochen wurden wir vorgewarnt, dass ein solches Ereignis möglich sei, doch schon in den Wochen zuvor habe ich die Wanderer jeweils vor der Gefahrenzone gewarnt", wurde Salis vom "Tages-Anzeiger" zitiert. Seit 24. Juni hätten sich rund 30 kleine Felsstürze ereignet. Geologen sagten, wie der Hüttenwart schon Mitte August berichtete, einen größeren Erdrutsch von rund zwei bis drei Millionen Kubikmeter voraus. In dem Gebiet wurden Tafeln mit Warnungen in vier Sprachen aufgestellt.

Die ersten Bewohner von Bondo durften am Freitag wieder in ihre Häuser zurückkehren. Nach dem neuerlichen Rutsch wurden die Bewohner erneut in Sicherheit gebracht. Teile des Orts seien aber nach wie vor gesperrt, sagte Gemeindepräsidentin Anna Giacometti. Die betroffenen Einwohner könnten daher erst in den kommenden Tagen oder Wochen wieder in ihre Häuser einziehen. Der Ort mit etwa 100 Einwohner wurde teilweise von einer riesigen Mure verlegt, die durch den Bergsturz ausgelöst wurde.

Einige Experten wiesen darauf hin, dass die Katastrophe möglicherweise zum Teil auf den Klimawandel zurückzuführen sei. Dieser trage zum Auftauen von Permafrostboden sowie zum Abschmelzen von Gletschern bei, wodurch Erdmassen destabilisiert werden.

Bei einem Bergrutsch am Piz Cengalo Ende 2011 waren 1,5 Millionen Kubikmeter Gestein in ein unbewohntes Tal gestürzt. Zuletzt gab es im November 2014 einen tödlichen Erdrutsch in der Schweiz. Dabei wurden in Davesco-Soragno im Kanton Tessin zwei Menschen getötet und vier weitere verletzt.