whs haben Sie jz ka. Genau so würde es Ilhan in einer fingerfertigen Sekunde voller Daumen-Gelenkigkeit in sein Smartphone tippen, wenn er sagen wollte: „Wahrscheinlich haben Sie jetzt keine Ahnung.“ Der 19-Jährige und seine Grazer Mitschülerinnen der Medien-HAK Monsberger, Hazal und Rojda, gehen längst nicht mehr „ins Internet hinein“, wie es Ältere sprichwörtlich so gerne tun. Ein großer Teil ihres „echten“ Lebens spielt sich im Virtuellen ab. Eine Welt mit eigener – abgekürzter – Sprache, eigenen Gesetzen und eigenen Ritualen.
Szenen einer digitalen Verschmelzung: Der erste, noch schlaftrunkene Tagesordnungspunkt nach dem Aufwachen in der Früh gleicht bei den Dreien dem letzten Werk vor dem Einschlafen: „Wir checken auf Instagram, was es Neues gibt.“ Und dazwischen? „Verbringen wir fünf bis sechs Stunden pro Tag mit dem Smartphone.“ Das Daumenkino ist Programm.
Die drei Grazer liegen damit punktgenau im Schnitt: Während laut steirischer Jugendstudie die Befragten 4,5 Stunden pro Tag (die Burschen 4,1 Stunden die Mädchen 4,8 Stunden) auf Social-Media-Kanälen wie Instagram, Facebook, Youtube und WhatsApp unterwegs sind, verbringen die Grazer Jugendlichen sogar 5,5 Stunden im virtuellen Raum. Noch etwas fällt auf: Der globale Primus Facebook hat in Gymnasien ein Problem: Während sich knapp 90 Prozent aller Lehrlinge auf Facebook tummeln, sind es bei AHS-Schülern nur 54 Prozent.
Snapchat und Instagram nutzen bereits mehr steirische Jugendliche als Facebook, Tinder spielt bei ihnen keine Rolle:
Ein digitales Nomadentum ist im Gange, bestätigt Ilhan: „Ich hab Facebook verlassen, weil meine Freunde dort auch nicht mehr zu finden waren.“ Bei Hazal war die Sache anders: „Ich hab die App im Schulstress gelöscht, weil sie mich zu sehr vom Lernen abgehalten hat. Und danach hab ich sie nicht mehr installiert.“
Ersatz war mit Instagram schnell gefunden. Die auf (selbstoptimierte) Bilder fokussierte Plattform scheint bei Oberstufenschülern bzw. im urbanen Raum der Aufenthaltsort der Stunde zu sein. 2400 Instagram-Follower hat er, erzählt Ilhan stolz. Dass er nur einen Bruchteil davon persönlich kennt: zweitrangig.
Der erste Dating-Schritt ist immer online
Auch die Art, neue Leute kennenzulernen hat sich völlig verändert, erklären die drei. Entdeckt man heute einen interessanten Menschen im gleichen Cafe, wird am Handy geschaut, ob das Objekt der optischen Begierde zufällig über die Standort-Funktion auf Instagram zu finden ist. Wenn ja, folgt man dem Profil – und erst, wenn die Selbstdarstellung des anderen mit den eigenen Wunschvorstellungen übereinstimmt, wagt man den ersten Schritt – zunächst virtuell, natürlich.
Die Spontanität scheint durch neuen technischen Schnickschnack ohnehin zu leiden. Heißt auch: Telefoniert wird mit dem Handy überhaupt nicht mehr. „Ich hasse telefonieren, da kann man sich nicht so schnell spontan Ausreden einfallen lassen“, gibt Ilhan offen zu.
So kommt es, dass das berühmte „blaue Hakerl“ auf dem Message-Dienst WhatsApp, das dem Absender anzeigt, dass der Empfänger die Nachricht gelesen hat, wohl einer der größten Stressfaktoren der heutigen Zeit ist: „Wenn das Hakerl blau ist, erwartet der Absender eine Antwort von mir, aber ich will und kann nicht immer sofort antworten“, erklärt Rojda, die wie Hazal peinlich genau darauf achtet, welche Bilder von ihr im Internet auftauchen. „Wir wissen um die Gefahren, können damit umgehen, aber bei den Zwölfjährigen bin ich mir da nicht so sicher“, sagt Rojda, die deshalb bei ihrer kleinen Schwester (12) „alles kontrolliert, was sie postet und verschickt“.
Die Grenzen der Freiheit
Dafür scheinen ewige Streitereien mit den Eltern, wenn die Kids nur aufs Handy starren, passe: „Seit mein Vater selbst ein Smartphone hat, schaut er die ganze Zeit drauf. So kann er zu mir nichts mehr sagen“, grinst Ilhan, der in der zweiten Monatshälfte seine Aufenthaltsorte danach wählt, wo es leistungsfähiges Wlan gibt („weil da mein Datenvolumen oft schon aufgebraucht ist“). Die drahtlose Freiheit hat also auch ihre Grenzen. Oder anders: die Freiheit endet da, wo der Akku zu blinken beginnt.
Hier finden Sie das Dossier zur Serie der Kleinen Zeitung #generation2017
Ulrich Dunst