„Tut mir leid, aber das ist gegen das Gesetz.“ Das sollen Eltern in Australien bald zu ihren Kindern sagen dürfen, wenn sie ihnen den Zugang zu sozialen Netzwerken verwehren wollen – zumindest wenn es nach Premier Anthony Albanese geht. Er will Unter-16-Jährige von TikTok, Instagram und Co. ausschließen. Erste Details sollen am Freitag im Kabinett besprochen, das Thema noch diesen Monat im Parlament eingebracht werden. Bis zur Einführung dauert es dann etwa ein Jahr: „Wir wissen, dass soziale Medien sozialen Schaden anrichten und die Kinder von echten Freunden und echten Erfahrungen fernhalten“, sagt der Regierungschef, der die Opposition an seiner Seite weiß. Die Maßnahme wird weltweit beachtet – nicht zuletzt, weil die Pflicht, das Mindestalter zu kontrollieren, auf die Internetplattformen übertragen werden soll.
Technisch sei das weder für die Tech-Konzerne noch für einzelne Staaten ein Problem, urteilt Kommunikationswissenschaftler Matthias Karmasin von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Er verweist in diesem Zusammenhang auf Länder wie Russland oder China, die – freilich mit einem anderen Hintergedanken – die Netzwerke massiv einschränken. Es dürfte aber nicht um Zensur gehen, betont der Experte, die Meinungs- und Informationsfreiheit sei immer einzuhalten. Eben diese führen Gegner von Verboten auch regelmäßig ins Treffen, sagt der Experte: „Befürworter entgegnen, dass wir Jugendliche auch vor anderen schädlichen Einflüssen schützen – etwa Alkohol, Zigaretten und Pornografie“.
Das sind die Gefahren von sozialen Medien
In Österreich ist ein Verbot politisch derzeit kein Thema. Doch Karmasin ortet in der EU einen breiten Konsens im Sinne eines rigiden Umgangs mit sozialen Medien, während man sich in der Kommunikationswissenschaft uneins ist, wie weit Staaten oder Union in deren Nutzung eingreifen sollen. Unbestritten sei die Problematik der Netzwerke bei übermäßigem Gebrauch: „Diverse Studien zeigen, dass es negative Auswirkungen auf die Körperwahrnehmung hat, dass Mobbing, Aggression, Manipulation, Emotionalisierung, Desinformation und Polarisierung an der Tagesordnung stehen.“ Anfälliger dafür seien jedenfalls Jugendliche, da 18- bis 24-Jährige die sozialen Netzwerke als wichtigste Informationsquelle nutzen – auch für seriöse Nachrichten: „Das ist ein wesentlicher Unterschied zu Älteren.“
Zuletzt habe der US-Wahlkampf einmal mehr gezeigt, wie schnell Falschinformationen die Runde machen können, unterstreicht Karmasin. Da müsse man ansetzen – nicht nur bei Kindern und Jugendlichen, sondern auch bei Erwachsenen: „Wenn wir die negativen Auswirkungen der sozialen Medien eindämmen wollen, was nicht mehr selbstverständlich ist. Wenn wir das wollen, weil wir erkennen, dass es eine Gefahr für die liberale Demokratie ist, wird es nicht reichen, nur bei den Jugendlichen anzusetzen.“ Ob es ein Verbot sein sollte, neue Spielregeln oder gewisse Einschränkungen, lässt der Wissenschafter offen. Aktuell zielt vor allem der Digital Services Act der EU innerhalb der Union darauf ab, die Risiken von Sucht, Mobbing und Desinformation zu reduzieren.
Wie andere Länder mit sozialen Medien umgehen
Karmasin stellt in diesem Zusammenhang auch eine Frage: „Wir leben in einer Welt, in der viele Wahrheit und Lüge nicht mehr unterscheiden können, weil eine unglaubliche Manipulationsfähigkeit vorliegt – aber ist es eine Welt, in der wir gerne leben wollen?“ Daher brauche es eine „Förderung der Medienkompetenz, um zu lernen, wie man mit Hass, Hetze und Propaganda richtig umgehen kann“, sagt Karmasin. Er verweist außerdem auf Lösungen in anderen EU-Ländern, die bisher – wie in Australien – vorwiegend auf den Schutz von Jugendlichen abzielen. Frankreich will eine Altersprüfung einführen, damit Unter-13-Jährige nur mit elterlicher Zustimmung auf Facebook, Snapchat und Co. dürfen. Irland und Belgien arbeiten bereits an ähnlichen Systemen. Die Niederlande und Griechenland haben in unterschiedlichen Formen ein Handy-Verbot an Schulen eingeführt, in Italien plädieren Lehrer ebenfalls dafür. Und Norwegen prüft ein Verbot nach australischem Vorbild.