Bei den Staatsschützern läuteten im Fall des 18-jährigen Wieners alle Alarmglocken: Der junge Mann, der bis vor kurzem in einer Einrichtung in der Weststeiermark lebte, gilt als gewaltbereit, hochgefährlich und islamistisch radikalisiert. Seine Wesensänderung innerhalb weniger Monate war dem Umfeld des Mannes nicht verborgen geblieben, das Landesamt für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE) wurde im August aktiv. Seit Anfang Oktober sitzt der zum Islam konvertierte Österreicher in der Justizanstalt Graz-Jakomini in Untersuchungshaft.
Der Sohn einer österreichischen Mutter und eines afghanischen Vaters lebte seit 2022 zur Resozialisierung in einer Unterkunft in der Weststeiermark. Dort konvertierte der junge Mann um den Jahreswechsel 2023 zum Islam, ließ sich einen Bart wachsen und kleidete sich wie ein Salafist. „Er versuchte, sein Leben ganz nach der Scharia auszurichten. Er wollte Frauen nicht mehr die Hand geben und versuchte auch andere Muslime, zu einem besseren religiösen Leben zu überzeugen“, berichtet Rupert Meixner, Leiter des LSE Steiermark. Im August kam es in der Unterkunft zu einem gewalttätigen Übergriff auf einen Mitbewohner. Weil dieser nach Ansicht des 18-Jährigen seine Religion nicht streng nach den Regeln lebte, verpasste er ihm im Zuge eines Streits einen heftigen Faustschlag.
Cobra-Einsatz in der Weststeiermark
Dabei blieb es nicht. Mit einem um den Oberkörper geschnallten Brustgurt, in den er gefüllte Glasflaschen steckte, fing der unsportlich wirkende Wiener plötzlich mit Lauftrainings an. Offenbar wollte er damit einen Sprengstoffgürtel simulieren. Anfang September soll er einen ehemaligen Mitbewohner mit kriminellem Hintergrund gefragt haben, wie er denn am besten an eine Pistole herankomme. Wenig später, am 9. September, standen schon Cobra-Beamte im Zimmer des 18-Jährigen. Er wurde auf Anordnung der Staatsanwaltschaft festgenommen, die Räumlichkeiten durchsucht.
Was die Beamten dort fanden, erhärtete den Verdacht. Unter der Matratze lag ein Küchenmesser mit 20 Zentimeter langer Klinge. Außerdem stellte man auf seinem Handy zahlreiches radikal-islamistisches Propagandamaterial sicher, darunter extrem brutale Videos von Hinrichtungen. Auf konkrete Anschlagspläne des Verdächtigen deutet laut den Ermittlern jedoch nichts hin, auch nicht auf mögliche Komplizen. Der Bursche hatte sich offenbar allein über das Internet radikalisiert.
Opfer und Täter zugleich
Was den 18-Jährigen aber so gefährlich mache, ist seine traurige Vorgeschichte. Der Wiener stammt aus zerrütteten Familienverhältnissen, die Mutter war drogenabhängig, auch er selbst nahm Drogen. Zeitweise lebte er bei den Großeltern und zwischendurch sogar auf der Straße. Er wurde bereits als Minderjähriger straffällig, aktenkundig ist eine schwere absichtliche Körperverletzung mit 14 Jahren. Er hatte damals einem Mitschüler ein Messer in den Rücken gerammt. Die Waffe trage er ständig bei sich, seit er einmal Opfer eines Raubüberfalls geworden sei, behauptete er einmal. Der Bursche wurde nach einer weiteren Straftat zu 18 Monaten Haft verurteilt, sechs davon verbrachte er auch im Gefängnis. Als Teil seiner Bewährungsauflagen wurde er nach der Haftentlassung in einer speziellen Einrichtung für schwierige Jugendliche untergebracht. In der Unterkunft in der Weststeiermark sollte der an paranoider Schizophrenie leidende Jugendliche wieder für ein halbwegs geregeltes Leben vorbereitet und von seinem alten Umfeld ferngehalten werden. Doch er flüchtete sich in den radikalen Islamismus.
Präventionsbeamte gegen Radikalisierung
Für das LSE zeigt dieser Fall, wie sehr man im Kampf gegen den Extremismus auch auf die Mitarbeit der Bevölkerung angewiesen ist. Die Präventionsarbeit nimmt seit der Reform der Behörde im Jänner großen Raum beim Staatsschutz ein, speziell geschulte Beamte gehen in Schulen und auch Moscheevereine und sensibilisieren die Menschen auf Anzeichen für eine Radikalisierung.
Die Polizei appelliert, verdächtige Wahrnehmungen im Hinblick auf den Verdacht einer Radikalisierung sofort und jederzeit an eine Dienststelle oder via Notruf 133 zu melden.