„Wir fragen nicht nach – wer hier schlafen will, kann hier schlafen. Wir sind oft die letzte Chance!“ Jakob Url präsentierte am Dienstag die Grazer Caritas–Notschlafstelle am Eggenberger Gürtel. Am 4. November sperrt sie wieder auf. Zeitgleich nehmen auch Kältetelefon und Kältebus ihren Betrieb wieder auf. „Damit niemand im Winter auf der Straße schlafen muss. Wir haben jetzt schon einige, die darauf warten, dass wir öffnen, die bleiben den ganzen Winter bei uns.“
Bis zu 40 Personen finden in der Notschlafstelle von 18 Uhr am Abend bis 6.30 in der Früh Schutz vor der Kälte, bekommen einen Schlafplatz, Kleidung und eine warme Mahlzeit.
„Kältepaket“ gegen soziale Einsamkeit
Die Notschlafstelle ist Teil eines umfangreichen Winterpakets, das die Stadt Graz gemeinsam mit dem Land, der Caritas und den VinziWerken schnürt. Dazu kommen das Kältetelefon und der Kältebus. Fünf Millionen Euro aus dem Sozialressort fließen in diese Winternothilfe.
„Damit können für rund 1.100 Menschen Notquartiere und Unterkünfte bereitgestellt werden“, betont SPÖ–Sozialsprecher Klaus Zenz.
Psychische Erkrankungen festigen den Teufelskreis
Sozialarbeiter und Freiwillige, die täglich mit Obdachlosen in Kontakt stehen, sprechen von einer alarmierenden Entwicklung bei den psychischen Erkrankungen. „Der neue Alltag im Dauer-Krisenmodus belastet uns alle nicht nur finanziell sondern zunehmend auch psychisch“, so Nicola Baloch, Geschäftsführerin der VinziWerke Österreich. „Die Mehrzahl obdachloser Menschen ist psychisch auffällig“
Die Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) beobachtet in ihren Sprechstunden Ähnliches: „Dieser Teufelskreis hat viele Ursachen – Einsamkeit, Kriege, Teuerung, Perspektivenlosigkeit – da spielt vieles zusammen und sehr häufig kommen dann noch Suchterkrankungen dazu.“
Schwierig werde es, Leute sicher in einer Wohnung unterzubringen, die das Leben in vier Wänden gar nicht mehr aushalten: „Du kannst ja keinen gegen seinen Willen einsperren, das muss freiwillig passieren. Für diese Arbeit braucht es viel Geduld und Gespür für Menschen.“
Kältetelefon und Kältebus als Soforthilfe
„In der vergangenen Wintersaison verzeichneten wir beinahe 500 Meldungen über das Kältetelefon und rund 800 Kontakte bei täglichen Ausfahrten mit dem Kältebus.
In der Winternotschlafstelle hatten wir 4.300 Nächtigungen, das ist eine Steigerung von 1.300 Nächtigungen im Vergleich zum vorherigen Winter, schildert Erich Hohl, Vizedirektor der Caritas Steiermark.