Der tragische Todessturz eines prominenten Grazer Rechtsanwaltes beschäftigte am Montagvormittag das Straflandesgericht Graz – und wird das noch einige Zeit länger tun. Am 23. August des Vorjahres stürzte der Anwalt, Immobilienentwickler und frühere Fußballfunktionär beim Besuch im Haus eines befreundeten Ehepaars im Copacabana-Freizeitareal in Kalsdorf drei Meter in die Tiefe auf eine Metalltreppe. Der Anwalt, der selbst ein Haus am See besaß, hatte seine Nachbarn im Tretboot besucht und dürfte – aus welchem Grund auch immer – gegen den provisorischen Bauzaun gestürzt sein, der sein Gewicht nicht halten konnte.
Tage nach dem Unfall starb das Opfer an seinen schweren Verletzungen. Die Umstände, die zum Todessturz führten, mündeten in einer Anklage wegen grob fahrlässiger Tötung gegen den Gastgeber (50) und seine Ehefrau (52). Die These der Staatsanwaltschaft: Das Ehepaar habe es jahrelang verabsäumt, ihr Balkonpodest durch ein Metallgeländer ordnungsgemäß zu sichern. „Die moralische Verantwortung tragen sie ohnehin, die strafrechtliche müssen sie heute übernehmen“, sagte der Staatsanwalt.
„In keiner Weise fahrlässig“
Gerade diese aber bestreiten die Angeklagten bei aller persönlichen Betroffenheit, erklärt ihr Verteidiger: „Sie haben in keiner Weise grob fahrlässig gehandelt.“ Sie seien davon ausgegangen, dass das Provisorium – zusammengehalten mit Kabelbindern und an Blumentöpfen befestigt, die Belastungsnormen erfülle. Es sei nicht geprüft worden, durch welche Gewalteinwirkung der Zaun zum Einsturz gebracht wurde. Das Opfer habe 125 Kilo gewogen und dürfte wegen eines Herz-Kreislaufproblems das Bewusstsein verloren haben oder wegen Alkoholisierung gestürzt sein. Musste man mit so hoher Belastung rechnen? Der Zaun habe auch abseits des Gehwegs für Besucher gestanden.
Strittig sei auch, wer für das Geländer zuständig war: Das Ehepaar habe aus Finanznöten ihr Haus an eine Immobiliengesellschaft verkauft und zurückgemietet. In diesem Vertrag verpflichteten sie sich zwar zur Errichtung eines Geländers, „die Intention waren aber nicht Sicherheitsgründe, sondern die Kostenübernahme“. Zum Unfallzeitpunkt hatte das Haus keine Benützungsbewilligung, es hätte dort gar niemand wohnen dürfen, die Gesellschaft habe das gewusst. „Die Eigentümerin hat nicht geprüft, ob ein Geländer gebaut wurde.“ Auch die Gemeinde nicht.
„Bauordnung zehn Jahre lang missachtet“
Diese Argumentation führt zur heftigen Reaktion des Vertreters der Angehörigen des Opfers: Die Angeklagten hätten sich eine Dekade lang über die Steiermärkische Bauordnung hinweggesetzt, seien im Kaufvertrag eine Verpflichtung eingegangen, die sie ebenfalls eineinhalb Jahre lang missachtet hätten. „Dann kam es genau zu dem Unfall, den diese Vorschrift der Bauordnung verhindern sollte.“ Und jetzt werde jede eigene Verantwortung bestritten.
Richter Martin Heissenberger muss wegen der leugnenden Verantwortung einen Sachverständigen für das Bauwesen bestellen und wird etliche Zeugen laden, darunter den Geschäftsführer der Immobiliengesellschaft, Nachbarn sowie Kollegen des Opfers, die mutmaßlich bezeugen können, dass keine relevante Alkoholisierung vorlag. „Vertagt auf unbestimmte Zeit.“