Die pensionierte Chemikerin Margaritha J. (66) wohnte im Haus Schörgelgasse 23 in Graz – in einem Haus, das sich im Besitz des 25-jährigen Wolfgang H. befand. Er wollte schon lange, dass die Frau aus der Wohnung auszieht. Er setzte sie unter Druck, wollte sie hinausekeln. Dass er mit seinen Methoden nicht zimperlich war, war allgemein bekannt, hatte er doch im Zuge eines Erbschaftsstreites seine eigene Mutter um ihre Wohnung gebracht. Dass er zu einem heimtückischen Auftragsmord fähig sein würde, traute man ihm aber auch nicht zu.
Samstag, 25. Jänner 1992: Margaritha J. verbringt den Tag mit ihrem Sohn und dessen Familie. Am Abend fährt sie nach Hause, stellt ihr Auto in der Schörgelgasse ab und geht Richtung Hauseingang. Etwa 50 Meter vor dem Gebäude bricht sie plötzlich zusammen. Ein Projektil steckt in ihrem Kopf, am nächsten Tag ist die Frau tot.
Die beiden Mordgruppen der Grazer Polizei beginnen mit den Ermittlungen. Die Tatortgruppe sucht nach Spuren. Die Kriminalisten erfahren von den Schwierigkeiten mit dem Vermieter, vermuten dass er mit dem Tod der Pensionistin zu tun haben könnte.
Doch die Kugel, die aus dem Kopf des Opfers entfernt wird, ist so deformiert, dass die Polizei auf eine verirrte Kugel aus einem Kleinkaliberrevolver (Long Rifle, Kaliber 22) schließt. Das Geschoß, so vermuten die Kriminaltechniker, dürfte an einer Hauswand abgeprallt sein und Margaritha J. in den Hinterkopf getroffen haben. Also ein Unfall. J. wurde durch einen Querschläger, einen sogenannten Geller, getötet – so die Annahme der Ermittler.
Als sie dann auch noch erfahren, dass der Hausmeister aus der Nachbarschaft eine kleinkalibrige Waffe besitzt und er damit öfters aus dem Fenster geschossen haben soll, rückt er in den Fokus der Ermittlungen. Er wird festgenommen, das Verfahren gegen ihn aber eingestellt.
Bei Staatsanwaltschaft und der Kripo kommen zwar wieder Zweifel an der Unfallversion auf, zumal an keiner Mauer Spuren eines Querschlägers gefunden werden. Ausschließen können sie die Querschläger-Version jedoch nicht.
Vier Wochen später verstärkt sich der Verdacht gegen den Hausbesitzer. Als Wolfgang H. bei der Einreise nach Österreich am Grenzübergang in Feldkirch kontrolliert wird, erschießt er sich vor den Augen der Zöllner.
Die Hinterbliebenen von Margaritha J. sind überzeugt, dass sein Tod mit den Ereignissen in Graz zu tun hat, doch die Kripo kann keinen Zusammenhang feststellen. Der Fall bleibt ungeklärt.
Sechs Jahre sollten vergehen, dann wird wieder ermittelt und schließlich ein brutaler Mord aufgeklärt.
Was war geschehen?
Der Student Martin G. (30), Sohn eines Schweizer Unternehmers, wurde festgenommen. Einvernommen wurde er zunächst zu einem Banküberfall, den er im Kanton St. Gallen begangen hatte. Aber das war nicht alles. Die Ermittler waren ihm auch nach einem hinterhältigen Verbrechen in Buchs auf der Spur.
Martin G., erfolgreicher Absolvent des Interkontinentalen Technikums in Rapperswil, gestand die Tat im Auftrag eines Schulfreundes ausgeführt zu haben. Der Auftraggeber Martin St. (30) wollte damit den Rosenkrieg zwischen seinem Bruder und seiner Schwägerin beenden. Martin G. nahm den Auftrag an, besorgte sich bei einem Militärartikelverkäufer eine Handgranate, bastelte mit dem Sprengstoff eine Bombe und schickte das Paket an Rosemarie St., die getötet werden sollte. Doch die Frau schöpfte Verdacht und legte das Paket in der Wohnung ab. Während sie mit dem angegebenen Absender telefonierte, kam es zur Tragödie. Die ahnungslose, 13-jährige Tochter öffnete die Verpackung. Es kam zur Explosion, das Mädchen war sofort tot.
Freiwilliges Geständnis
Aus freien Stücken gestand Martin G. nun auch den Mord in Graz. Sein Freund, der Hausbesitzer, hatte ihm den Auftrag gegeben, Margaritha J. zu töten. Er präparierte ein Projektil so, dass es nach einem Querschläger aussah. Gemeinsam lauerten sie am Abend des 25. Jänner 1992 in der Schörgelgasse auf ihr Opfer. Von hinten und aus nächster Nähe feuerte Martin G. sein präpariertes Geschoss ab. Wolfgang H. beobachtete die Tat von der anderen Straßenseite aus. Danach flüchteten die Täter nach Liechtenstein. Vier Wochen später, bei der Rückreise, erschoss sich der Grazer.
Auf Martin G. fiel kein Verdacht. Erst 1996, nach dem Bombenattentat und dem Bankraub, kam ihm die Kantonspolizei auf die Spur. Er wurde zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt.