Die Bilder der Ausschreitungen beim letzten Derby, die Gewaltexzesse und die Gerichtsprozesse, die bis heute andauern, sind den meisten Steirern wohl gut im Gedächtnis geblieben. Wobei sich alle einig sind: Die Geschehnisse dürfen sich nicht wiederholen. Dazu beitragen soll auch die Initiative „Grazer Derbykultur“, die Elke Murlasits, Wolfgang Kühnelt und Fabian Ifkovich als Schwarz-Rote Freundesgruppe ins Leben gerufen haben.
Die Idee dahinter: Die Realität, die in der Stadt das ganze Jahr über gelebt wird, auch rund ums Derby vor den Vorhang holen. „Der zornige und hasserfüllte Ton zwischen den beiden Vereinen im Alltagssprech ist etwas, das überhaupt nicht der Realität der Stadt entspricht“, sagt Murlasits. Denn jeder rote und jeder schwarze Fan habe liebste Menschen, die dem anderen Lager angehören. Genau das ist es auch, was die Aktion zeigen soll. Daher holt sie in sozialen Netzwerken mithilfe eines Filter Paarungen vor den Vorhang, die den gegensätzlichen Fanlagern angehören. „Es geht darum, dass die Fans beider Lager darüber reden und auch korrigiert werden, wenn die Sprache zu radikal wird und klar ist, dass es keine Rückendeckung für körperliche Gewalt gibt“, sagt Kühnelt.
„Junge können Derbykultur nicht nachempfinden“
Auslöser dafür waren vor allem die Ausschreitungen beim Cup-Derby im letzten Jahr. „Für uns Älteren ist das Derby noch ganz nahe, wir wissen genau, wie sich das anfühlt, aber jüngere Fans können das nicht nachempfinden“, sagt sie. Immerhin liegt das letzte Grazer Bundesliga-Derby 17 Jahre zurück. Genau diese Abwesenheit der Konkurrenz sieht sie auch als Treiber des Hasses. „Einen nicht vorhandenen Feind kann man leichter verteufeln und da kann man in Gedanken ganz lange draufprügeln. Das war letztes Jahr einfach eine Situation, die eskaliert und aus dem Ruder gelaufen ist“, sagt sie. Daher appelliert sie auch an den Hausverstand der Fans: „Nehmt euch bitte nicht alle so ernst, ihr seid mehr als nur Fußballfans, ihr müsst euch gegenseitig nicht so runtermachen“, sagt sie.
Grazer Derby: „Es ist nur ein Spiel“
Unterstützung bekommt die Aktion von zahlreichen Prominenten. Etwa von Ex-Schirennläuferin Nici Schmidhofer und Schauspielerin Pia Hierzegger. „Ich komme aus dem Skisport, in dem jeder, der ins Ziel kommt, gefeiert wird, das geht natürlich im Fußball nicht“, sagt sie. Dennoch sollte es eine Grundvoraussetzung sein, dass man solche Feste gemeinsam feiere. „90 Minuten darf man gerne Gegner sein, aber drumherum sollte man etwas Schönes nach außen tragen“, sagt Schmidhofer. Auch für Schauspielerin Pia Hierzegger hat die Rivalität neben dem Fußballplatz nichts verloren. „Ich finde, es wird viel zu viel Wind darum gemacht, es ist nur ein Spiel. Es gibt so viele andere Probleme und ich beurteile Leute nicht nach ihrer Clubzugehörigkeit, das ist einfach nur ein Hobby“, stellt sie klar.
Rivalität und Freundschaft passen unter einen Hut
Ein besonderes Zeichen setzen auch die Stadionsprecher der beiden Grazer Vereine, Thomas Seidl und Mathias Pascottini. Die beiden sind als langjährige Freunde ein Paradebeispiel dafür, wie Respekt über die Vereinsfarben hinweg aussehen kann. „Wenn man Thomas und mich jeweils über unsere Vereine reden hört, dann klingt das immer ähnlich, da gibt es nicht viele Unterschiede. Was er für Sturm empfindet, ähnelt dem, was ich für den GAK empfinde“, sagt Pascottini. Einen kleinen Seitenhieb kann er sich dennoch nicht verkneifen. „Er hat einfach ein bisschen das Pech gehabt, dass seine Verwandten und Freunde einen Hauch weniger Geschmack gehabt haben als meine“, meint er lachend. Die Devise: gegenseitiges Aufziehen, ja. Gewalt, nein. „Wer auch immer das Derby gewinnt, hat eine Woche das Recht, den anderen aufzuziehen, aber es muss sich jeder sicher fühlen“, sagt er.
Auch Seidl schlägt in eine ähnliche Kerbe: „Ich bin Vater von zwei Kids und ich würde dann schon gerne ins Stadion gehen, aber so ist es halt schwierig, da verstehe ich, dass viele sagen, dass sie aktuell zu viel Angst haben und so soll es nicht sein“, meint er. Allerdings weiß er auch, dass eine rot-schwarze Freundschaft nicht für jeden etwas ist. „Die Kurven sind verhärtet, das Wichtige ist, dass sie im Kopf haben, dass sie ihre Mannschaft anfeuern und nicht den Gegner attackieren“, sagt Seidl.
Messlatte für die Zukunft: Friedliche Derbys
Damit fasst er auch das große Ziel der Aktion auf. Denn die Initiative soll nicht unbedingt die Kurven ansprechen, sondern vor allem „normale“ Fans, die zu Mitläufern werden könnten. „Ich habe die Hoffnung, dass es friedlich gehen könnte und je öfter wir relativ friedliche Derbys erleben, desto normaler wird es wieder werden. Ich glaube, wenn es jetzt wieder eskaliert, werden wir in Zukunft sehr viel Polizei brauchen und dann wird es in Zukunft immer mühsam werden“, sagt Kühnelt.