Ein 56-Jähriger ist am Dienstag wegen versuchten Mordes an seinem damaligen Chef und dessen Vater in Graz vor einem Geschworenensenat (Vorsitz: Erik Nauta) gestanden. Er soll im März an einer Raststation auf der A 9 im Zuge einer Auseinandersetzung seinen Arbeitgeber und dessen Vater durch Messerstiche schwer verletzt haben. Der Ältere erlitt durch fünf heftige Stiche lebensgefährliche Verletzungen. Vor Gericht sprach der Beschuldigte von Notwehr und bestritt jede Tötungsabsicht.

Der Angeklagte hatte im Jänner als Kraftfahrer bei dem ungarischen Unternehmen angefangen. „Es gab immer wieder Querelen, weil er mit dem Lkw sorglos umgegangen ist“, beschrieb Staatsanwalt Arnulf Rumpold. Der Chef vermutete, dass der 56-Jährige die Reifen verkaufen und alte auf dem Fahrzeug montieren würde.

Streit mit Junior-Chef

Mitte März vereinbarten der Beschuldigte und sein Chef, der den Betrieb gerade übernommen hatte, ein Treffen bei einer Raststelle. Dabei sollte der Zustand des Lkw angeschaut werden. Bei der Zusammenkunft, an der auch der Senior-Chef teilnahm, beanstandete der Arbeitgeber den „desolaten Zustand des Lkw“. Es entbrannte ein Streit zwischen dem Fahrer und dem Junior-Chef, und die beiden Männer sollen schließlich aufeinander eingeschlagen haben. Plötzlich ergriff der 56-Jährige ein Messer und stach den anderen in die rechte Flanke.

Dann packte er den Vater, zog ihn zu sich her „und stach ihm fünf Mal in den Brustkorb“. Die Stiche seien laut Ankläger so heftig gewesen, dass die Messerklinge fast zur Gänze eindrang. Er ließ erst von seinem Opfer ab, als ihn der Jüngere mehrfach mit einer Taschenlampe auf den Kopf schlug.

„Alles Lüge“

Der Angeklagte gab an, es sei Notwehr gewesen. „Wenn ich ihn töten hätte wollen, hätte ich in den Hals gestochen“, gab er an. „Ich wollte mich nur verteidigen“, betonte er. Alles andere sei „Lüge“. Von seiner Attacke auf das ältere Opfer existiert allerdings ein Video. „Ich habe nicht heftig gestochen, nur so, wie eine Schlange beißt, also nur, um ihn abzuwehren“, behauptete der Angreifer.

Verteidigerin Roberta Sollhart führte ins Treffen, dass ihr Mandant „17 Jahre quer durch Europa“ gefahren und nie straffällig geworden sei. Er hatte seinen beeinträchtigten Sohn im Lkw dabei gehabt, da dieser auf ihn angewiesen sei.

Der Angeklagte zeigte sich überaus emotional und betonte immer wieder, wie ungerecht er von den beiden Männern behandelt worden sei. „Ich habe keinen Gramm Treibstoff oder Reifen verkauft.“ Etwas anders erzählte der Chef des Unternehmens: Der Angeklagte habe bereits Vorschuss für den nächsten Monat erhalten, keine Rede davon, dass die Firma ihm seinen Lohn geschuldet hätte. Er selbst hatte dann bei dem Treffen am Parkplatz einige Schäden am Lkw festgestellt. Als er den 56-Jährigen zur Rede stellte, bekam er einen Faustschlag ins Gesicht. Es folgte ein Gerangel, dann war der Zeuge sicher, dass sich sein Gegenüber beruhigt habe. Doch dieser stieß ihm von hinten ein Messer in die Flanke. „Ich habe noch nie im Leben so einen Schmerz gespürt“, schilderte der Mann. Er fiel zu Boden, „und dann hat er mit aller Kraft auf mich eingetreten“. Als der Angeklagte von ihm abließ und auf den Senior-Chef einstach, rappelte sich der Verletzte irgendwie auf: „Ich habe gedacht, wenn ich jetzt nicht zu meinem Vater gehe, stirbt er.“ Es gelang ihm, auf den Angreifer mit der Taschenlampe einzuschlagen, bis dieser von seinem Opfer abließ.

Die Geschworenen entscheiden auf zweifachen Mordversuch. Das Urteil 20 Jahre Haft (nicht rechtskräftig).