Der Kies knistert unter den Sohlen, während ich zügig in Richtung Café Promenade laufe, der Oktober hat die Allee dort bereits in einen satten gelb-orangen Farbtopf getunkt. Die kalte Morgenluft brennt in der Lunge, aber auf eine Weise, die lebendig fühlen lässt. Vorbei geht es an Ententeich und Parkhouse in Richtung Kinderspielplatz, der ehemalige Verkehrsgarten ist das Ziel – und der Anfang. Denn jeden Samstag um 9 Uhr treffen sich dort Laufbegeisterte und Spaziergänger, um gemeinsam den „Park Run“ zu bestreiten. Fünf Kilometer, drei Runden, jede Person läuft oder geht ihr eigenes Tempo, wie Mitorganisator und Helfer Olly Cooley erklärt. „Hier ist jeder willkommen“, betont er. Der Blick auf den Streckenverlauf lässt schmunzeln, er hat die Form einer Ente. Der Verkehrsgarten sind die Füße.
Seit einem Jahr veranstaltet das 10-köpfige Kernteam den Park Run in Graz und reihte sich damit hinter Wien, Linz und Salzburg in als vierte Park Run-Stadt Österreichs ein. „Bald gibt es das auch in Klagenfurt“, weiß Cooley. Denn erfunden hat das Team aus Voluntären den Park Run nicht, der entstand genau vor 20 Jahren in Großbritannien. Heute laufen teilweise 500 Menschen bei den Treffen in London mit. „Angefangen hat alles im Londoner Bushy Park. Inzwischen gibt es dieses Konzept auf der ganzen Welt“, so Richard Zeiner, der heute als sogenannter Marshal fungiert und den Teilnehmenden an einer bestimmten Stelle im Park den Weg anzeigt. „Damit niemand verloren geht“, sagt er schmunzelnd. „Aber bis jetzt haben wir immer alle sicher ins Ziel gebracht.“ Der „Schnabel“ der Ente ist seine Lieblingsstelle. „Irgendwann bekommst du dort deine eigene Bank“, scherzt Cooley.
Eine internationale Gemeinschaft und Laufhund Cookie
Laufleitung Sarah Knights gibt kurz vor neun Uhr eine kurze Einführung, aufpassen wird allerdings erschwert. Tierische Begleitung gibt es nämlich nicht nur in Form der Laufstrecke und den gefiederten Genossen im Ententeich, sondern auch durch Knights Hund Cookie, der hier allen die Show stiehlt. Für eine kurze Streicheleinheit ist aber immer Zeit, der vierbeinige Laufbegleiter kennt hier viele Teilnehmer bereits.
Neben den „Stammgästen“ befinden sich auch einige Neulinge und Gäste unter den Läufern. Deutschland, Indien, Nepal, Tschechien, Italien – das Publikum ist international, denn wer ein Teil der „Park Run Community“ ist, kann überall teilnehmen. Viele der Freiwilligen haben zudem britische Wurzeln, so auch Cooley. Kein Wunder also, dass Knights Einführung ein bunter Mix aus Deutsch und Englisch ist, schließlich soll jeder den Ablauf verstehen. Der Herbst bringt Hindernisse auf die Strecke: „Es liegen derzeit viele Kastanien am Boden, passt da beim Laufen gut auf“, warnt Knights. Tatsächlich muss auch ich später feststellen, während ich beim Laufen versuche, meine Atmung im Griff zu behalten, dass ihre Warnung durchaus nicht unberechtigt ist.
Vorbereitung für den Graz Marathon
In der ersten Runde versuche ich mit Elisabeth Lachner und Gabriela Hofer Schritt zu halten, ein Unterfangen, das tatsächlich besser funktioniert als gedacht. Innerlich danke ich den zahlreichen Stunden Tanztraining, die ich in der Woche habe, die offensichtlich auch meiner Kondition zugutekommen. Eine Pace von 6:30 Minuten ist drin, auch wenn mein Kopf bereits nach wenigen Minuten einer Tomate gleicht. Hatte ich mich zu Beginn ob fehlender professioneller Laufausrüstung beinahe schlecht gefühlt, habe ich nach dem ersten Kilometer meinen Rhythmus gefunden. Lachner läuft bereits seit 15 Jahren, wie sie erzählt, auch Marathon ist sie schon gelaufen. „Ich finde, man kommt beim Laufen so richtig runter und bekommt seinen Kopf frei“, sagt sie. Auch Hofer läuft gern, im Moment versucht sie allerdings wieder ihren Rhythmus zu finden. „Ich falle leicht raus, wenn ich mich länger nicht aufraffe“, gibt sie lachend zu.
Für viele ist der Lauf Teil ihrer Vorbereitung auf den Graz Marathon am 13. Oktober, so auch für Peter Dsouza. Ursprünglich kommt er aus Indien, seit zwei Jahren lebt er in Graz, er tritt beim Halbmarathon an. „Letztes Jahr bin ich den ganzen Marathon gelaufen, da sind immer viel weniger Leute angemeldet, deswegen war ich nach 20 Kilometern eigentlich alleine auf der Strecke, nur mit einer Läuferin neben mir, die aus Verzweiflung geweint hat. Heuer wird das hoffentlich anders.“ Als er die Anekdote erzählt, muss er lachen. „Es ist wirklich anstrengend, man muss sich seine Kraft gut einteilen, 5:30 Stunden habe ich letztes Jahr gebraucht.“
Seine Laufbegleitung ist an diesem Samstag Irena Milardović, er ist ihr „Pacemaker“. „Ich schaue, dass sie eine gewisse Zeit hält, die sie erreichen will.“ Während Milardović und ich versuchen, uns auf unser Ziel zu konzentrieren, erzählt Dsouza, warum ihm das Laufen in Graz mehr Spaß macht als in seiner alten Heimat. „Viel weniger Verkehr und man muss keine Angst haben, umgefahren zu werden“, scherzt er. Dass Dsouza während dem Lauf noch problemlos erzählen kann, kommt Milardović und mir gelegen. „Das ist wie ein Podcast“, sagt sie und lacht. Die beiden sind nicht nur Lauf-, sondern auch Arbeitskollegen, als Gruppe machen sie samstags Sport. „Eine Schwimm-Gruppe fehlt uns noch“, stellt Dsouza fest – ist da eine neue Idee geboren?
Selbstgemachte Brownies im Ziel
Den Mitgliedern des Laufvereins „Runnin‘ Graz“ kann ich nicht das Wasser reichen, als ich im Ziel ankomme, sind sie schon lange fertig, bei drei Lauftrainings pro Woche aber auch keine Überraschung. Dauerlauf, Staffellauf und ein öffentlicher Lauftreff sind unter anderem Teil von Dominik Osterlands Trainingswoche. Eine Pace von vier Minuten ist sein langfristiges Ziel, er selbst läuft bereits seit zehn Jahren, bei „Runnin‘ Graz“ ist er zudem als Lauftrainer aktiv. Auf den Graz Marathon freut er sich schon. „Wir haben dort auch eine eigene ,Cheering Zone‘ von der aus wir die Leute anfeuern und Stimmung machen.“
Die Anstrengung des Samstagvormittags hat sich für die Teilnehmenden jedenfalls gelohnt, denn im Ziel warten selbstgebackene Brownies der „Runnin‘ Graz“-Mitglieder auf die Ankommenden. Lena Weyers aus Wiesbaden hat es unterdessen im Graz-Urlaub mit ihrer Mutter zum Park Run verschlagen. „Ich habe ein Jahr in Wien gelebt und es nie nach Graz geschafft, das wollte ich jetzt nachholen“, erzählt die Wiesbadenerin, die ebenfalls bereits Halbmarathon-Erfahrung hat. „Gemeinsam laufen ist immer lustiger als allein“, sind sich alle einig.
Nach dem Laufen kommt der Kaffee
Traditionell geht es für einige der Teilnehmenden nach dem Lauf ins Café Turner am Karmeliterplatz. „Für Kakao und Kaffee“, wie ich erfahre. Einige Unermüdliche haben die fünf Kilometer als Aufwärmrunde genutzt, für sie geht es anschließend gleich weiter an die Mur. Mein Puls, der sich nach teils 161 Schlägen pro Minute während des Laufs wieder normalisiert hat, sagt mir unterschwellig, dass ich wohl eher ersterer Gruppe folgen sollte.