Fünf Menschen leben in Österreich mit einer tragischen Gewissheit: Sie wurden mit einer LAL-Defizienz diagnostiziert. Diese äußerst seltene Krankheit wird von einem Enzym namens lysosomale saure Lipase ausgelöst, das eigentlich unseren Fettstoffwechsel vorantreiben sollte. Diese Aufgabe kann es aber aufgrund eines Gendefekts nicht erfüllen. Bei gesunden Menschen spielt das Enzym eine große Rolle beim Abbau von Cholesterinester und Triglyceriden – Fettbausteine, die in allen Zellen unseres Körpers vorhanden sind.

„Wenn das Enzym aber nicht funktioniert, können die Fette nicht mehr abgebaut werden und häufen sich in den Zellen an. Das führt dazu, dass die Zelle nicht mehr funktionieren kann“, sagt Dagmar Kratky. Die Biochemikerin an der Meduni Graz leitet den Spezialforschungsbereich Lipidhydrolyse, der sich mit dem Verständnis von fettspaltenden Enzymen beschäftigt. 217 solcher Enzyme hat das Team im Spezialforschungsbereich rund um Kratky im Visier. Sie will herausfinden, welche Enzyme welche Fette spalten, um die Prozesse dahinter besser zu verstehen. „Unsere Intention ist es, alle Lipidhydrolasen, die es gibt, zu identifizieren und zu charakterisieren. Wenn man die biochemischen Hintergründe kennt, kann man eingreifen, denn jede Fehlfunktion kann zu einer Stoffwechselerkrankung führen“, sagt Kratky und zählt als Beispiele Adipositas, Diabetes und Krebs auf.

Die LAL-Defizienz gilt ebenso als Beispiel, auch wenn sie extrem selten auftritt: Schätzungsweise ist ein Mensch von 40.000 bis zu 300.000 Menschen betroffen. Die Konsequenzen für die wenigen Betroffenen sind aber enorm: Werden Menschen mit der Krankheit geboren, überleben sie ohne Behandlung das erste Lebensjahr nicht. „Säuglinge sterben an Unterernährung, weil das Fett, das in den Zellen angehäuft wird und nicht verstoffwechselt werden kann, keine Energie mehr freisetzen kann“, sagt Kratky. Aufgrund der Seltenheit wird die Krankheit oft nicht rechtzeitig erkannt, obwohl es eine Therapie gäbe: eine wöchentliche Verabreichung von Ersatzenzymen über den Tropf, lebenslang notwendig und mit Kosten von rund einer Million Euro pro Jahr verbunden. „In vielen Ländern zahlen die Krankenversicherungen diese Behandlung gar nicht. Deshalb suchen wir nach einer Alternative“, so Kratky.

In einer Forschungskooperation mit Institutionen in Frankreich und Kanada arbeitet die Grazer Gruppe an einer Gentherapie. Die Idee ist, Zellen im Körper dazu zu bringen, funktionstüchtige LAL-Enzyme herzustellen. Weil sich unser Organismus aber nicht so leicht Fremdkörper unterjubeln lässt, arbeitet das Forschungsteam mit einem Trick: Um eine Reaktion des Immunsystems zu umgehen, werden genetische Informationen mittels mRNA-Botenstoffen eingebracht – genauso, wie wir es von der Corona-Impfung kennen. „Der Vorteil bei mRNA ist, dass sich keine Autoantikörper bilden. Wenn wir die körpereigenen Zellen dazu bringen, selbst die Enzyme zu bilden, kommt es zu keiner Immunreaktion“, sagt Kratky. Sie gibt aber zu bedenken, dass man erst am Beginn einer möglichen Therapie steht und noch ein langer Weg vor dem Forschungsteam liegt.

Dagmar Kratky forscht an der Meduni
Dagmar Kratky forscht an der Meduni © Meduni Graz/Martin Wiesner