Fast fühlt man sich an einen Karibikstrand versetzt, so tiefblau erscheint das Wasser – mitten im herbstlichen alpinen Gebirge. Wenn Bergseen für die Jahreszeit so ungewöhnlich gefärbt sind, können Blockgletscher im Spiel sein: Aus ihnen entspringen Bäche, die von weißen Verkrustungen des umliegenden Gesteins geprägt sind und das Wasser blauer erscheinen lassen. Fachleute sprechen von „Ausfällungen“, also mineralischen Ablagerungen, die wir ähnlich vom Wasserkocher kennen, wenn er nicht regelmäßig entkalkt wird.
Allerdings interessiert sich die Forschung nicht für den Kalkgehalt im Wasser der Blockgletscher, sondern für die dort vorkommenden Schwermetalle. Warum sich die in den Quellgebieten ablagern und welche Rückschlüsse sich auf das Wasserspeicherverhalten von österreichischen Blockgletschern ziehen lassen, erforscht das Projekt „RG-AlpCatch“.
Dabei hat sich das Institut für Erdwissenschaften der Uni Graz mit dem Institut für Angewandte Geowissenschaften zusammengetan – im Rahmen von NAWI Graz, eine Kooperation im Bereich der Naturwissenschaften, auf die sich die beiden Hochschulen vor genau 20 Jahren verständigt hatten. Projektleiter Gerfried Winkler, Hydrogeologe an der Uni, erklärt, woher das Interesse für Blockgletscher rührt: „Blockgletscher sind Landschaftsformen in einem alpinen Umfeld, in dem noch Dauerfrostböden existieren. Dabei handelt es sich um ein Gemisch aus Schutt und Eis, das sich durch die Schwerkraft langsam voranbewegt.“
Durch ihre enorme Größe – sie können sich über einen Kilometer erstrecken und bis zu 80 Meter in die Höhe wachsen – spielen Blockgletscher eine wichtige Rolle als Wasserspeicher im alpinen Raum. Sie sind in der Lage, Grundwasser über mehrere Monate zu sammeln und haben daher große Bedeutung für die Wasserversorgung. „Wir interessieren uns für den Prozess, wie das Wasser gespeichert wird, das durch den Blockgletscher herauskommt. Außerdem wollen wir wissen, warum das Wasser so hohe Mineralisierung und Schwermetallgehalte aufweist“, sagt Winkler.
Bei der zweiten Frage stehen ihm Franziska Stamm und Michael Pettauer von der TU zur Seite. Die Geochemiker untersuchen die Wasserproben und Ausfällungen, die an Blockgletschern in Tirol und der Steiermark entnommen wurden. „Die chemische Analyse der Ablagerungen erlaubt Rückschlüsse auf die Umweltbedingung ihrer Entstehung. Mit Hilfe dieser Informationen versuchen wir Kenngrößen zu entwickeln und zu kalibrieren, um den Einfluss des Klimawandels auf diese Prozesse zu erkennen und vorherzusagen“, sagt Stamm. So lasse sich etwa ein Zusammenhang von Erderwärmung, erhöhter Ausfällung von Mineralien aus dem Schmelzwasser der Blockgletscher und den Nährstoffkreisläufen in Gewässern herstellen.
Trinkwasserqualität habe das Wasser aus den Blockgletschern aber nach wie vor, auch wenn im Projekt „RG-AlpCatch“ erhöhte Nickel-Werte im Großraum der Ötztaler Alpen festgestellt wurden. „99,9 Prozent der Proben sind jedoch völlig unbedenklich, wir wissen aber nicht, wie sich die Situation weiterentwickeln wird. Sobald wir die Prozesse hinter den Ausfällungen besser verstehen, können wir belastbare Prognosen abgeben“, sagt Winkler.
Für diese Prognosen werden sich nicht zuletzt auch die Verantwortlichen für die zukünftige Trinkwasserversorgung interessieren – alles, was es über die Speicherung von Grundwasser in Blockgletschern zu wissen gibt, wird wichtig sein für die planbare, nachhaltige Nutzung dieser Wässer. Geowissenschaften spielen dabei eine entscheidende Rolle, gut also, dass das Fach sowohl an TU als auch Uni angeboten wird.