Der Abschlussbericht des steirischen Landeskriminalamts zu jenem aufsehenerregenden Fall am LKH Graz, bei dem die 13-jährige Tochter einer Oberärztin bei einer Not-OP selbst mitoperiert haben soll, liegt vor: Die Staatsanwaltschaft Graz wird demnächst über eine Anklage entscheiden.
Die Vorwürfe wiegen wie mehrfach berichtet schwer: Im Spital soll die Neurochirurgin ihre Tochter nicht nur mit in den Operationssaal genommen haben. Sie soll, so der Verdacht, die 13-Jährige auch aktiv mitmachen haben lassen, ja soll der Teenager laut Opferanwalt sogar selbst am Schädel gebohrt haben. Opfer im OP-Saal war ein Landwirt, der nach einem Arbeitsunfall eingeliefert wurde. Die Ermittler der Gruppe Leib und Leben des Landeskriminalamts Steiermark haben nun jedenfalls ihren Abschlussbericht vorgelegt. „Dieser wird jetzt von der zuständigen Staatsanwältin geprüft“, erklärte Behördensprecher Hansjörg Bacher.
Verdacht der schweren Körperverletzung
Die Anklagebehörde ermittelt insgesamt gegen sieben Personen, konkret gegen drei Ärzte und vier Operationsgehilfen. Vorwurf: Verdacht der schweren Körperverletzung durch eine unsachgemäß durchgeführte Operation, teilweise geht es um Beitragstäterschaft. Hauptbeschuldigte ist die Mutter der strafunmündigen 13-Jährigen, die den Eingriff federführend durchgeführt haben soll. Die Oberärztin gab in ihrer Einvernahme an, es sei unrichtig, dass ihre Tochter operiert habe. Auch die anderen sechs im OP-Saal anwesenden Personen hätten vor der Polizei die Vorwürfe bestritten. „Aktuell bekennt sich keiner der Beschuldigten vollinhaltlich schuldig“, fasst der Sprecher der Staatsanwaltschaft Graz zusammen. Einige von ihnen sagten aus, nicht gesehen zu haben, dass die Minderjährige selbst bei der Not-OP Hand angelegt habe. Interessantes Detail: Eine Person hat ihre zunächst belastenden Angaben später wieder abgeschwächt. Das geht konkret so weit, dass die 13-Jährige laut letzter Aussage nur die Hand aufgelegt haben soll - zunächst sagte dieselbe Person hingegen intern aus, dass die Schülerin selbst Hand angelegt habe. „Die Staatsanwaltschaft muss nun die Glaubwürdigkeit dieser Aussagen prüfen“, so Bacher. Eine Entscheidung bezüglich Anklageerhebung werde demnächst fallen. Da es sich in diesem Fall um einen berichtspflichtigen Akt handle, muss das geplante Vorhaben zunächst der Oberstaatsanwaltschaft Graz übergeben werden, berichten die „Salzburger Nachrichten“.
Geprüft wird außerdem, ob sich die Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft (Kages) nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz strafrechtlich verantworten muss. Dabei wird aufgerollt, wann die Dienstbehörde von den Gerüchten erfahren hat und wie darauf reagiert wurde. Die Kages sieht sich keiner Schuld bewusst: „Die OP hat Mitte Jänner stattgefunden. Die Meldung des anonymen Hinweisgebers erfolgte im April. Aufgrund der Mitteilung des Klinikvorstands der Universitätsklinik für Neurochirurgie am 4. April wurde sofort ein interner Untersuchungsprozess in die Wege geleitet“, so Simone Pfandl-Pichler, Sprecherin des LKH-Univ. Klinikum Graz zur Kleinen Zeitung. Bis zur Dienstfreistellung habe es „in den Befragungen der Mitarbeitenden keinen Hinweis darauf gegeben, dass die Tochter der Operateurin am OP-Geschehen teilgenommen habe“. Am 29. Mai aber gab es bei einer weiteren internen Befragung eine Aussage, die mit den anderen Aussagen nicht gänzlich übereinstimmte. Deshalb erfolgte bis zur vollständigen Klärung des Sachverhalts die Dienstfreistellung und am 26. Juli schließlich die fristlose Entlassung der Oberärztin. „Das Dienstverhältnis mit einem weiteren Facharzt wurde durch die Med Uni mit sofortiger Wirkung beendet. Strenge Verwarnungen wurden gegenüber dem anwesenden OP-Pflegepersonal ausgesprochen. Dies vorbehaltlich weiterer Konsequenzen, die sich aus dem Ermittlungsverfahren und einem möglichen Strafverfahren ergeben könnten.“
Das Unfallopfer
Zum Unfallopfer: Der 33-jährige Steirer war bei Forstarbeiten im Bezirk Weiz verunglückt, mit dem Notarzthubschrauber ins LKH-Uniklinikum geflogen und dort am Kopf notoperiert worden. Dass es sich bei der besagten OP um seinen Fall gehandelt hatte, erfuhr der Steirer erst einen Monat später - und zwar durch die Polizei. Deshalb, wie berichtet, die Kritik von Opferanwalt Peter Freiberger: „Es gab keinen Kontakt von der Kages mit meinen Mandanten, keine Erklärung oder Entschuldigung, gar nichts. Das ist einfach unwürdig.“