Die Stadt Graz gab am Abend eine leichte Entwarnung – und die gilt nicht nur für die Landeshauptstadt, sondern das gesamte Bundesland. Der Regen lässt bis Mitternacht überall nach, eine Entspannung der Unwetter-Situation dürfte ab Dienstag einsetzen.
Am längsten ist mit Niederschlag im Ausseerland zu rechnen. Dort fielen bis 23 Uhr rund 34 Liter pro Quadratmeter, in Mariazell waren es 24 Liter. Im Laufe der Nacht wird der Regen nachlassen.
Die Landeswarnzentrale und viele Kommunen warnen aber weiterhin zur Vorsicht. Der starke Wind habe schwere Schäden in den steirischen Wäldern verursacht. Nach wie vor könnten Äste zu Boden fallen oder Bäume umkippen. Grund: aufgeweichte Böden. Erdrutschungen und Muren sind weiterhin möglich; vor allem in der Region Veitsch, Thörl/ Aflenzer Becken, Präbichl, Mariazell und im Ennstal.
Für die Helfer ist die Beruhigung der Wetterlage jedenfalls eine Erleichterung. Von Freitag an waren im Sog des Adriatiefs 1814 Einsätze für die steirischen Feuerwehren zu stemmen. Der Landesfeuerwehrverband meldete Montagfrüh 629 Unwettereinsätze, 73 Auspumparbeiten und Hunderte technische Hilfsleistungen innerhalb der letzten 24 Stunden. „Wir appellieren an alle Steirerinnen und Steirer vorsichtig zu sein, bis sich die Lage tatsächlich entspannt und Wälder weiterhin zu meiden“, sagten LH Christopher Drexler und Vize Anton Lang.
Rückblick auf den Montag
Zu Mittag hat es in Graz und weiter südlich wieder zu regnen begonnen, auch in der Obersteiermark setzte am Abend stärkerer Regen ein. „Von Norden kommt einiges an Niederschlag“, warnte Fritz Wölfelmaier von der Geosphere im Vorfeld. Im Osten des Landes waren hingegen keine großen Regenmengen zu erwarten.
Der Wind schwächte aber ab, der Spitzenwert am Montag war bis 17 Uhr bei 77 km/h (St. Radegund). Die Flusspegel sind bis Mittag wieder zurückgegangen. Am Dienstag sollte es an der Alpennordseite trocken bleiben, an der Südseite „ist das Tief noch spürbar, verliert jedoch an Einfluss“. Es wird feucht und nebelig. Die Schneeschmelze spielt keine große Rolle. Erst langsam nähern sich die Temperaturen in Richtung 20 Grad.
6000 Feuerwehrleute gefordert
Seit Samstag waren 474 Feuerwehren mit 6000 Frauen und Männern bei 1814 Einsätzen aktiv. „Es war wild, wir waren von Freitagmittag bis Sonntagabend fast dauerhaft im Einsatz“, schilderte Franz Reithofer, Kommandant der FF Birkfeld.
Am Montag sei „die Lage im Moment zwar stabil, doch die Entwicklung hängt entscheidend von den Niederschlagsmengen ab, die heute noch erwartet werden“, teilte der Landesfeuerwehrverband mit. Meteorologen prognostizieren für den „Nordstau“ zwischen 20 und 50 Liter pro Quadratmeter, was vor allem in Bruck-Mürzzuschlag zu Problemen führen könnte. In Thörl war man in den Regenpausen mit dem Aufräumen beschäftigt, zum dritten Mal heuer. Im Ortsteil Etmißl ist vor der Kläranlage die halbe Fahrbahn der Landesstraße (L 125) weggerissen worden.
Hilfe für Niederösterreich
Im Katastrophengebiet von Niederösterreich halfen am Sonntag Wehren aus Feldbach, Leibnitz, Judenburg und Deutschlandsberg, die mit 47 Fahrzeugen und 225 Mann ins Nachbarbundesland ausrückten. Am Montag brachen auch 52 Kräfte aus Voitsberg nach Niederösterreich auf, sowie technische Züge aus Feldbach, Leibnitz und Radkersburg. „Es ist extrem, was sich hier abspielt“, berichtet Josef Baumgartner (Bereichsfeuerwehrverband Radkersburg) aus Melk.
Kameradinnen aus dem Bezirk Leibnitz halfen bei St. Pölten bei der Evakuierung eines Schweinestalls, der komplett unter Wasser stand. „Zum Glück konnten wir von den 600 Tieren über 500 retten“, schildert Bereitschaftskommandant Friedrich Partl erleichtert. Unterdessen kämpft man im oststeirischen Tierpark Herberstein mit den Nachwehen des Sturms.
Die ÖBB stellten Sonntagabend die Südstrecke zwischen Wien und Mürzzuschlag ein. Intercity-Züge und Railjets von und nach Kärnten beginnen und enden in Bruck an der Mur. Railjets Graz-Wien enden in Mürzzuschlag. Ersatzverkehr mit Bussen wurde eingerichtet, die Frequenz ist mit den Zuganschlüssen aber nicht vergleichbar.
Schwere Schäden am Stromnetz
In der Oststeiermark, in der östlichen Obersteiermark und im steirischen Zentralraum waren mehr als 500 Trafostationen ausgefallen. Laut Energie Steiermark wären bis Montagmittag noch 40 Stationen vom Netz und 600 Kunden ohne Strom. Der Gesamtschaden ging in die Millionen.
Beim oststeirischen Stromversorger Feistritzwerke kämpfte man ebenso mit umgeknickten Strommasten – rund 2800 Haushalte waren am Sonntag in den Bezirken Weiz und Hartberg-Fürstenfeld ohne Strom, Montagfrüh waren es zwischen 700 und 800 Tenor:. „Wälder wurden wie mit großen Motorsägen abgemäht“
Entspannung erst am Dienstag
„Es ist ein tragisches Zusammenspiel aus Sturm und Wasser“, skizzierte LH Christopher Drexler am Sonntag. „Wirkliche Entspannung ist erst am Dienstag zu erwarten“, so Harald Eitner, der Leiter der Abteilung für Katastrophenschutz. Generell „müssen wir uns auf noch intensivere Ereignisse einstellen“, warnt Douglas Maraun vom Wegener Center der Uni Graz.
Sturm- und Orkanstärke
Die Situation in den Wäldern bleibt gefährlich, unterstreichen die Einsatzkräfte. Am Präbichl wurden bis Sonntagnacht (23.40 Uhr) Böen mit bis zu 119 km/h gemessen, in Hartberg waren es 111,2 km/h und in St. Radegund 107,3 km/h. Alle Werte lagen weit über den Rekorden zu dieser Zeit, so die Daten der Geosphere. Zur Sicherheit muss die Schöcklseilbahn am Montag eine Pause einlegen.
Schuldach zerstört
Nicht eben vom Glück verfolgt sind die Schüler von St. Radegund. Durch die Sturmböen wurde das Dach der „Ersatzschule“ in Containern heruntergerissen. Da der Schulbetrieb daher am Montag nicht in der Containerschule stattfinden kann, muss der Unterricht am Wochenbeginn im Kursaal in St. Radegund verlagert werden.
Thörl las Zivilschutzalarm am Handy
In Thörl im Bezirk Bruck-Mürzzuschlag wurde gestern Zivilschutzalarm ausgerufen, das Warnsystem AT-Alert schickte Meldungen an Handys aus. Der Zivilschutzalarm in Thörl konnte am Sonntagnachmittag wieder aufgehoben werden.
Die Bewohner der Bezirke Hartberg, Graz-Umgebung, Weiz und Graz erhielten eine Sturmwarnung aufs Telefon. Am Nachmittag kamen noch zwei Hochwasserwarnungen für die Regionen Mariazell und Mürztal hinzu. Auch diese wurden per Handy kommuniziert.
Hunderte Einsätze in Graz
Die Berufsfeuerwehr Graz war seit Freitagabend mit 351 gemeldeten Schadstellen gefordert. Vorrangig handle es sich laut Einsatzleiter Andreas Schmuck dabei um umgestürzte Bäume und abgedeckte Dächer. Am Sonntagnachmittag wurden noch 100 Stellen bearbeitet. Um die Schadstellen bewältigen zu können, waren neben den Einsatzkräften der Berufsfeuerwehr auch solche der Freiwilligen Feuerwehr Graz und Kräfte aus Graz-Umgebung vor Ort.