Überraschung ist es keine, die Umweltlandesrätin Ursula Lackner (SPÖ) am Montag verkündete: „Der 100er bleibt.“ Gemeint ist die Geschwindigkeitsbeschränkung auf rund 100 Autobahnkilometern rund um Graz, die als „Feinstaub-100er“ bekannt wurde, mittlerweile aber viel häufiger wegen zu hoher Stickstoffdioxid (NO2)-Emissionen auslösen. Eine Studie der TU Graz kam zum Ergebnis, dass die 2009 eingeführte Tempobremse wirkt: Ein Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter wird im Jahresmittel dadurch eingespart. Bei einer Aufhebung könnten die Grenzwerte künftig aber nicht eingehalten werden. Damit geht die Steiermark einen anderen Weg als Salzburg und Tirol.

Die Zeiten, als Graz als „Feinstaubhochburg“ galt, seien längst passé, das Maßnahmenbündel zur Luftreinhaltung habe Wirkung gezeigt, sagte Lackner bei einem Hintergrundgespräch. Der flexibel geschaltete „100er“ auf der A2 und der A9 sei zwar nur ein Puzzleteil, aber ein wichtiger. Stimmen, die dessen Aufhebung fordern, nannte sie „populistisch“. Sie habe einen anderen Zugang, und der sei faktenorientiert. Es gehe nicht nur um die künftige Einhaltung bestehender Grenzwerte. Lackner verwies auf deutlich strengere EU-Vorgaben ab 2030, die dann „noch einmal eine weitere Anstrengung“ bedeuten.

Landesrätin Ursula Lackner und Referatsleiter Thomas Pongratz mit der Studie
Landesrätin Ursula Lackner und Referatsleiter Thomas Pongratz mit der Studie © Land Stmk/Purgstaller

Mehr Verkehr, weniger Schadstoffe

Die Studie der TU Graz hatte neben der Überprüfung der Wirksamkeit auch den Zweck, den Schaltalgorithmus der Verkehrsbeeinflussungsanlage (VBA) weiterzuentwickeln. Denn auch der Verkehr hat rund um Graz weiter zugenommen, am stärksten im Korridor Ost (Graz-Sinabelkirchen) mit plus 6 Prozent gegenüber 2022. Im Korridor Nord (bis Deutschfeistritz) waren durch Baustellen die Daten nur begrenzt verwertbar. Öfter als im Jahr zuvor leuchtete der 100er im Süden und Osten auf, im West-Korridor (bis Lieboch) etwa gleich häufig. Errechnet wurde eine Reduktion von 54 Tonnen Stickstoffoxide, 11.200 Tonnen CO2 und 2800 Tonnen Kraftstoff – freilich nur durch Pkw, Schwerfahrzeuge betrifft das Limit ja nicht.

„Wir schauen ja jedes Jahr, ob die durch die Verordnung geregelten Vorgaben erfüllt werden“, erklärte Thomas Pongratz, Leiter des Referats Luftreinhaltung beim Land. Nachdem Salzburg im Vorjahr die Tempobremse aufgehoben hatte, habe man auch geprüft, ob die Verordnung ein Aus auch für die Steiermark hergebe. Dazu wurde ein Korridor von je 100 Metern links und rechts der Autobahn in die Modellrechnungen einbezogen. „Das ist der Bereich, wo die nächsten Anrainer wohnen und auch die sollten ja vor hohen Schadstoffbelastungen geschützt werden“. In vielen Bereichen würden die Grenzwerte zwar eingehalten, aber eben nicht überall. Damit sei die ersatzlose Streichung des 100ers fachlich nicht begründbar. Im Übrigen sei das Tempolimit eine milde Maßnahme. „Jeder darf sein Auto nach wie vor beliebig verwenden. Er darf halt nur nicht ganz so schnell fahren.“

Salzburg rechnet anders

Warum hat Salzburg dann anders entschieden, spielten nicht doch politische Gründe eine Rolle? „Im Endeffekt sind es politische Entscheidungen, aber die Grundlagen sind fachlich begründbar“, meint Lackner. Pongratz gibt auch zu bedenken, dass in Salzburg der Schaltalgorithmus anders berechnet wird: „Dort ziehen sie die Werte von autobahnnahen Messstellen heran, wir beziehen auch die Bereiche dazwischen ein, wo es keine Messungen gibt.“

FPÖ für Aufhebung

Für eine Aufhebung des „100ers“ spricht sich die steirische FPÖ schon seit längerem aus. Bei Lackners Festhalten an der Maßnahme handle es sich „primär um eine im Klimaalarmismus begründete Autofahrerschikane“, schimpft Landesparteichef Mario Kunasek in einer Aussendung. Die Argumentation mit strengeren EU-Grenzwerte ab dem Jahr 2030 hält Kunasek für „besonders absurd“.