Schneebedeckte Fahrbahn auf dem Forstweg einer Alm. Am Steuer des Autos ein Führerscheinloser, der nach „acht oder neun Bier“ driften will. Mit Kumpels an Bord. „Wir hatten einen 100er drauf, er ist durch einen geschlossenen Viehzaun geschossen und hat dann die Kontrolle verloren“, sagt ein Insasse über die Wahnsinnsfahrt. Wie die Polizei ermittelte, ging es dann unkontrolliert 400 Meter über einen Steilhang bergab. „Der Lenker sprang als Erster aus dem Auto, keiner hat mehr gelenkt. Dann sind wir in den Baum gekracht.“ Der Insasse hatte Glück, erlitt „nur“ einen Bruch des Unterarms und des Schlüsselbeins. Mit dem Blick auf das Unfallwrack (regelrecht um den Baum gewickelt) meint die Richterin zum Angeklagten: „Sie haben fast vier Leute umgebracht.“
Der Unfall ereignete sich im März in der Weststeiermark. Am Steuer ein amtsbekannter 27-Jähriger. Schon 2020 musste er seinen „Schein“ abgeben. Dennoch: weiterhin Gas geben. „Ich fahre nicht so oft. Nur, wenn ich betrunken bin“, erklärt er beim Prozess am Straflandesgericht. Er sitzt neben seinen ebenfalls angeklagten Eltern. Seine Mutter hat nämlich für den Unfall die Verantwortung übernommen. „Der Bua hat g‘sagt, er tut sich was an“, erläutert die Frau ihr Motiv für die Vertuschungsaktion. „Also sagte ich allen, ich bin gefahren.“ Der Vater, laut Anklage ebenso involviert: „Um die 47.000 fürs Auto is‘ mir nie gegangen. Nur um die Gesundheit vom Sohn.“ Der Anwalt der Eltern schildert die Causa als ein „ziemliches Schlamassel, in das die ganze Familie reingezogen wurde. Es war eine aus Mutterliebe heraus getätigte Falschaussage. Und er Vater duldete es.“ Der Betrug scheiterte, man wurde bei der Versicherung verpfiffen.
„Wir hatten eine Dodelsau“
Um kurz nach dem Crash das Lügenkonstrukt zu perfektionieren, mussten noch andere Involvierte die Wahrheit zurechtbiegen. Drei Bekannte des 27-Jährigen sind deshalb wegen Begünstigung bzw. Falschaussage mitangeklagt. „Freundschaftsdienst. Ich wollte ihn schützen“, sagt einer von ihnen. „Aber ich weiß, was wir alle für eine Dodelsau hatten, dass wir noch lebendig aussteigen konnten.“ Was Richterin Verena Oswald beim Lenker besonders missfällt: „Bevor Sie überlegen, ob wer verletzt ist oder die Rettung rufen, suchen Sie jemanden, der für Sie falsch aussagt. Sie haben fast vier Leute umgebracht.“ - „Es tut mir eh leid“, antwortet er, „in Haft habe ich über vieles nachdenken können“.
„Eine sonderliche Lehre war Ihnen der Unfall scheinbar nicht“, leitet die Vorsitzende zur nächsten Wahnsinnsfahrt des Beschuldigten über. Nur drei Monate später: Alkoholisiert (“sechs Bier, ein Schnaps“). Mit 120 km/h in der 30er-Zone. Passanten, Verkehrsteilnehmer, Polizisten gefährdet. Darunter eine Frau, die ihr Auto, in dem ihr einjähriges Enkerl saß, vor dem Heranrasenden verreißen musste. Weil der Führerscheinlose von Polizisten am Steuer erkannt wurde, flüchtete er. „Wir wollten ihn überholen und vorne reinschneiden“, erinnert sich ein Polizist, „da hat er uns abgedrängt.“ Seine Anwältin: „Er wusste, was auf ihn zukommt, wenn ihn die Polizei erwischt. Deshalb flüchtete er im Eifer des Gefechts.“
„10.000 Euro geboten“
Eine Zeugin legt kurz vor dem Urteil noch nach: „Mir wurden 10.000 Euro geboten, wenn wir den Unfall nicht melden. Ich sagte sofort, so etwas mache ich nicht.“ – „Das war die richtige Entscheidung, sonst würden Sie auch als Angeklagte da hinten sitzen“, sagt die Richterin. Dann die Urteile. Zwei Jahre Haft für den Lenker (16 Monate davon auf Probe) inklusive 5000 Euro für den beim Unfall Verletzten. Geldstrafe für die Mutter wegen versuchten schweren Betrugs. Geld- und bedingte Haftstrafen (vier Monate) für die jungen Freunde. Einzig der Vater kann durchschnaufen: Freispruch. Keine nachgewiesene Beitragstäterschaft.