Bei seinen öffentlichen Auftritten ging der langjährige Landesrat Hans Seitinger stets auf die Steirerinnen und Steirer zu. Er hatte ein Ohr für deren Sorgen – vor allem jener der Bauern, die er rund 20 Jahre politisch in der Landesregierung vertreten hat. Mehr noch, es gelang dem Frauenberger stets das Gute zu sehen und hervorzukehren. Schwer ist ihm das meist nicht gefallen, waren die köstlichsten landwirtschaftlichen Produkte – vom Obst bis zu Fleisch, Gemüse und Wein – doch stets ein guter Gesprächsauftakt. Das war passend, denn Seitinger war der Inbegriff des Mottos „Durchs Essen kommen d‘Leut zam“.

Eine Gabe, die er bis Herbst 2023 intensiv ausübte. Damals trat er wegen gesundheitlicher Probleme zurück. Als Folge dessen ist Hans Seitiger, einer der längstgedienten Landesräte Österreichs, Sonntagfrüh mit 63 Jahren verstorben. Zuvor war er mehrmals im Krankenhaus behandelt worden. Zuletzt wurde er für eine Lebertransplantation ins AKH nach Wien geflogen. Es folgte ein längerer Tiefschlaf und eine kurze Phase der Hoffnung. Nicht zuletzt, als ihn sein langjähriger Wegbegleiter, Altlandeshauptmann Hermann Schützenhöfer, am Krankenbett besuchte. Als Geschenk gab es ein Hufeisen verbunden mit Genesungswünschen – als Zeichen dafür, dass sich die Dinge wieder umkehren können.

Das Schicksal aber ging einen anderen Weg: Wie groß die Lücke ist, die Seitiger hinterlässt, war schon bei seinem politischen Rückzug im Vorjahr erkennbar. Im Vorraum seines Büros im Landhaus in Graz versammelten sich rund 20 Mitarbeiter, alle den Tränen nahe. Eine legendäre, berührende Szene – geprägt von ehrlicher Trauer, über den unfreiwilligen Abgang eines Unermüdlichen, der immer Mensch und nicht nur Politiker war. Schließlich war seine Fähigkeit zum Netzwerken legendär. Täglich verbrachte er zwei bis drei Stunden am Telefon, gratulierte Wegbegleitern in längeren Plaudereien zum Geburtstag, auch handgeschriebene Briefe waren keine Seltenheit.

Vom Bergbauernhof in den steirischen Landtag

Seitinger war ein Urgestein in der steirischen Landespolitik und Vertrauter mehrerer Landeshauptleute. Er war ein Arbeitstier, 15-Stunden-Tage waren die Norm, wie er der Kleinen Zeitung erzählte. Um das alles unter einen Hut zu bekommen, saß er am Sonntag oft bis zwei Uhr nachts an der Planung der kommenden Woche. Die Folge: Pro Jahr legte er rund 150.000 Kilometer mit dem Dienstauto zurück.

Seitinger wurde am 25. Januar 1961 in Frauenberg bei Bruck an der Mur geboren und war einer der bedeutendsten Politiker der Steirischen Volkspartei. Er wuchs als Sohn einer Bergbauernfamilie auf, was seine späteren politischen Schwerpunkte im Bereich der Landwirtschaft maßgeblich beeinflusste. Dabei hatte er stets einen Witz auf den Lippen, der sich maßgeblich um den steirischen Wein drehte.

Tiefes Engagement für die Landwirtschaft

Seine politische Karriere begann aber abseits der Landesstube, auf kommunaler Ebene. Er war Landjugendobmann und Feuerwehrkommandant und Gemeinderat, von 1999 bis 2003 dann schließlich Bürgermeister in Frauenberg. Direkt im Anschluss wurde er Mitglied der Steiermärkischen Landesregierung und übernahm die Ressorts Land- und Forstwirtschaft, Wasserwirtschaft, Wohnbau, Veterinärwesen, Abfallwirtschaft sowie nachhaltige Initiativen und landwirtschaftliche Schulen. Seit 2013 war er Landesobmann des Steirischen Bauernbundes. Die Bäuerinnen und Bauern in der Steiermark hatten mit Seitinger in Folge zwei Jahrzehnte ein intensives Sprachrohr. Sein Wirken war geprägt von einem tiefen Engagement für die Betriebe, die das ländliche Leben und die Agrarpolitik in den steirischen Regionen nachhaltig geprägt hat.

Abschieds-Video aus der Landespolitik:

Als seinen größten Erfolg bezeichnete Seitinger im Herbst 2023 das Wassernetzwerk Steiermark mit 40.000 Kilometer Ver- und Entsorgungsleitungen, die in dieser Form in seiner Amtszeit entstanden sind. Das sollte die Trinkwasserversorgung sicherstellen, denn: „In meinem ersten Jahr als Landesrat 2003 hatten wir das ärgste Dürrejahr, das wir je hatten. Das Wasser fehlte in der ganzen Oststeiermark.“

Politik zwischen Wohnbau, Trinkwasser und Photovoltaik

Während seiner Amtszeit setzte er sich außerdem intensiv für die Förderung der Landwirtschaft und die Anpassung an den Klimawandel ein. Wiewohl er von Naturschützern und der Opposition bei diesem Thema oft Kritik einstecken musste. Zu seinen Initiativen gehörten unter anderem Förderprogramme für Alm- und Bergbauern. Er brachte innovative, manchmal auch wild diskutierte Projekte auf den Weg und förderte den Holzbau in der Steiermark erheblich. Unter seiner Leitung entstand zudem die „Wohnbauoffensive Weiß-Grün“, die das Ziel hatte, die Mieten zu senken und neuen Schwung in den Wohnbau zu bringen.

Politisch war Seitinger auch im Bereich des Hochwasser- und Lawinenschutzes zuständig. Unter seiner Ägide wurden etwa eine Milliarde Euro in den Schutz vor Naturgefahren investiert. Zudem war er der Initiator des „Großen steirischen Frühjahrsputzes“, einer Umweltinitiative, die über die Jahre hinweg breite Unterstützung fand und dazu beitrug, Millionen Kilogramm Müll zu sammeln.

Rücktritt nach 20 Jahren im Landtag

Im Oktober 2023 zog sich Seitinger schließlich nach zwanzig Jahren als Landesrat aus gesundheitlichen Gründen aus der Politik zurück. Seine Nachfolge trat Simone Schmiedtbauer an. „Ich war einige Wochen in mehreren Krankenhäusern und hatte sehr ernst zu nehmende Voruntersuchungen. Meine Ärzte haben mir den dringenden Rat gegeben, mich von allem Stress zu entfernen und mich voll auf meine Gesundheit zu konzentrieren“, sagte Seitinger bei seinem Abschied im letzten Herbst. Zu diesem Zeitpunkt haderte er bereits zunehmend mit der steigenden Bürokratie und den Verrohungen.

Er selbst setzte im Gegensatz dazu auf Handschlagqualität und das Miteinander: „Habt‘s a guate Zukunft, samma stolz auf unser schönes Land“, sagte er bei seinem Rückzug aus dem Landhaus. Und in seinem letzten Interview mit der Kleinen Zeitung riet er den Steirerinnen und Steirern zu „Mut und Zuversicht gegenüber dem Missmut“. Hans Seitinger, der jahrzehntelang für Beständigkeit und Menschlichkeit sorgte, wird nicht nur mit diesen mahnenden Worten in prägender Erinnerung bleiben. Der Unermüdliche – er ist für immer eingeschlafen.