Wie bringt man moderne Technologien zum Angreifen bis in den letzten Ort eines Landes? Wie erreicht man, dass Volksschüler, die fernab von den großen Ballungszentren wohnen, auch eine Ahnung von modernen Möglichkeiten der Kommunikation und Computeranwendungen erleben?
Ein einzigartiges Projekt namens „missimo“ hat kürzlich österreichweit begonnen: Umgesetzt wird es von der gemeinnützigen Privatstiftung Kaiserschild (benannt nach einem Berg bei Hieflau/Eisenerz), die vom Haribo-Mitinhaber Hans Riegel gestiftet wurde. Konkret tourt ein großer Truck durch Österreich und besucht Volksschulen fernab von den Großstädten. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt von Professorin Anna Kanape vom Fachbereich Bildungswissenschaften an der Privaten Pädagogischen Hochschule Augustinum in Graz (PPH). „Wir wollen mit der wissenschaftlichen Begleitung sicherstellen, dass das Projekt jene Wirkung erzielt, die es erreichen will“, sagt Kanape.
Worum geht es? Der eindrucksvolle, zweistöckige Truck, der 16,5 Meter lang, 6,5 Meter hoch und 22 Tonnen schwer ist, fährt Volksschulen in eher entlegenen Gebieten in Österreich an. Der Truck bietet ein Umfeld für sechs verschiedene Stationen an, die moderne Technologien präsentieren. Bei einer der Stationen etwa treten die Kinder der 3. und 4. Volksschulklassen mit dem bekannten Spiel „Schere, Stein, Papier“ gegen die Künstliche Intelligenz an. Dabei erfahren die Schüler, dass der Computer zunächst erst lernen muss, wie die Handbewegungen der Kinder jeweils aussehen, bevor er das Spiel spielen kann.
„In einer anderen Station geht es um Sensorik. Dabei lässt man echte Pflanzen wachsen. Die Kinder können einstellen, wie viel Licht und Wasser die Pflanzen bekommen“, erzählt Kanape. In der Station, die sich mit „Augmented Reality“ beschäftigt, spielt ein „magischer Spiegel“ eine Rolle, wobei am Ende ein Foto des Kindes mit seinem eigenen Avatar steht. Eigene Digi-Trainer erklären die Stationen.
„Wir wollen begleitend herausfinden, was diese Präsentation mit den Lehrenden und den Schülern macht“, sagt Kanape. Denn das Projekt ist viel umfassender angelegt, als nur einen Ausblick auf Technologien zu bringen. Das Projekt ist zwar für die Schulklassen gratis, aber die Lehrpersonen müssen zuvor Workshops besuchen. Sie bekommen dabei zusätzliche Materialien mit. Im Anschluss erhalten auch die Kinder ein kleines Werkzeug-Kit. Sowohl Kinder als auch Lehrpersonen werden mit Fragebögen abgefragt.
Die Grundidee ist es, auch Kinder, die wenig Möglichkeiten haben, moderne Technologien zu sehen, damit vertraut zu machen. Das Angebot soll das Interesse wecken, sich mit MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Technik, Naturwissenschaften) zu beschäftigen. „Nicht jedes Kind hat ein Umfeld, in dem diese Interessen gefördert werden“. Insbesondere auch Mädchen, die sich traditionellerweise immer noch weniger für MINT-Fächer entscheiden, sollen erreicht werden.
Aber auch den Lehrpersonen soll eine Schwellenangst genommen werden. „Es gibt Lehrpersonen, die sagen, dass sie sich über moderne Technologien ,nicht drübertrauen´“, sagt Kanape. Die Stationen sind übrigens so angelegt, dass sie sprachlich nicht zu schwierig sind oder überhaupt auf solche Instruktionen verzichten.
Die Ergebnisse nach dem ersten Jahr - rund 1000 Kinder haben teilgenommen - sind positiv, im Herbst kommt der Truck dann in die Steiermark. Es zeigt sich, dass das Selbstwertgefühl der Kinder in diesen Bereichen gestiegen ist (“wir haben es geschafft“), das Interesse gestiegen ist (“ich habe es verstanden“) und auch die Lehrerinnen und Lehrer erleben den Tag sehr positiv und bereichernd.
In mehreren Masterarbeiten wird an der PPH das Projekt untersucht. Sind die Instruktionen kindgerecht? Sind die Experimente inklusiv? Wie geht es Kindern mit einer anderen Muttersprache. Für fünf Jahre ist das Projekt derzeit aufgesetzt und kann von den Schulen gebucht werden; aus schulischer Sicht ist es wie ein Wandertag. Kosten entstehen übrigens keine, die trägt vollständig die Privatstiftung.