Hinter der Anschlagserie, der die Zeugen Jehovas in der Steiermark seit August in Angst und Schrecken versetzte, steckte ein heimtückischer Mordplan. Die vier Rohrbomben, von denen drei explodierten, galten gar nicht der Glaubensgemeinschaft. Der Bombenbauer hatte es auf seine Ex-Frau abgesehen und wollte sie töten. Am Mittwoch wurde der 55-jährige Verdächtige an seinem Arbeitsplatz südlich von Graz festgenommen. Was der IT-Techniker den Ermittlern schilderte, könnte auch aus einem Drehbuch für einen Fernsehkrimi stammen.

Der ganze Aufwand, all die komplizierten und gefährlichen Rohrbomben, seien demnach nur ein Ablenkungsmanöver gewesen, um die Ermittler auf eine falsche Fährte zu locken. Zwischen dem 55-Jährigen aus Graz-Umgebung und seiner geschiedenen Frau tobte seit Jahren ein Streit um den Unterhalt der beiden Kinder. „Er hatte seit 13 Jahren keinen Kontakt mehr zu ihnen, man sah sich nur bei den Gerichtsverhandlungen“, schilderte Ermittlungsleiter Rupert Meixner gestern bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz. Meixner, Chef des Landesamts für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE), war dem Täter mit der zuletzt 20-köpfigen „Ermittlungsgruppe Michael“ auf der Spur gewesen.

2011 aus der Gemeinschaft geworfen

Dort war man schon früh von einem eher persönlich gelagerten Motiv für die Anschläge ausgegangen, ebenso von einem Ex-Mitglied der Zeugen Jehovas als Täter. Damit lag man richtig. Der 55-Jährige war 1991 über seine damalige Frau zur Glaubensgemeinschaft gekommen, 2011 wurde er ausgeschlossen. Grund war die Scheidung des Paares. Der anschließende Gerichtsstreit um den Unterhalt der beiden Kinder dürfte den Hass des Computertechnikers noch weiter gesteigert haben.

War alles Absicht?

Dass bei den Anschlägen gegen die Zeugen Jehovas kein Mensch zu Schaden kam, war vom Täter offenbar beabsichtigt. „Beim ersten Angriff in Leibnitz war die Sprengkraft der Rohrbomben noch nicht so immens. Wir müssen erst herausfinden, was die Intention war“, sagte Rene Kornberger, Leiter des Landeskriminalamts. Hingegen hatte der vor dem Königreichssaal in Kalsdorf aufgefundene Sprengsatz enormes Zerstörungspotenzial und hätte Menschen töten können. Dieser explodierte aber nicht und lieferte den Experten wichtige Hinweise auf Bauweise und Hersteller. Generell habe es sich um „unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen“ gehandelt, so Kornberger.

Informierten über den Fall: Landespolizeidirektor Gerald Ortner, LKA-Chef Rene Kornberger, LSE-Leiter Rupert Meixner
Informierten über den Fall: Landespolizeidirektor Gerald Ortner, LKA-Chef Rene Kornberger, LSE-Leiter Rupert Meixner © Klz / Nicolas Galani

Am 3. Mai legte der 55-Jährige noch einmal eine falsche Fährte, indem er ein vor einem Haus in Zettling abgestelltes Auto in die Luft jagte. Auch dieses gehörte einem Angehörigen der Zeugen Jehovas, es wurde komplett zerstört. Noch am selben Tag nahm er schließlich sein eigentliches Ziel ins Visier. Mit einem Magnet brachte er eine Rohrbombe unter dem Auto seiner Ex-Frau an. Offenbar wollte er diese per Fernzündung im richtigen Moment hochgehen lassen. Doch der Plan scheiterte. Warum, ist noch unklar. Fest steht jedoch: Der explosive Sprengsatz ist verloren gegangen.

Auf diesem Parkplatz wurde das Auto der Ex-Frau untersucht. Die Bombe war nicht mehr da
Auf diesem Parkplatz wurde das Auto der Ex-Frau untersucht. Die Bombe war nicht mehr da © Wilfried Rombold

In den letzten Tagen verdichteten sich für die „Ermittlungsgruppe Michael“ die Hinweise auf den 55-Jährigen so stark, dass sie diesen am Mittwoch gegen 11.30 Uhr in seiner Firma festnahmen. Der Steirer leistete keinen Widerstand und war sofort umfassend geständig. Er erzählte von der Bombe am Auto seiner Ex-Frau. Sofort löste die Polizei Großalarm aus, das Fahrzeug wurde auf dem Parkplatz eines Supermarkts in der Grazer Elisabethstraße lokalisiert. Der Entschärfungsdienst rückte mit dem Roboter an, Straßenzüge wurden großräumig abgesperrt. Doch die Spezialisten fanden nur den Magneten, jedoch keine Bombe. „Wir gehen aber davon aus, dass sie dort befestigt war“, erklärte Kornberger. Jetzt wird nach ihr gesucht.

Durchsucht wird seit Mittwochabend auch das Haus des Festgenommenen in Premstätten. Sein Name befand sich übrigens unter den rund 60 personenbezogenen Hinweisen, die bei den Ermittlern eingegangen waren. Offenbar kam er vom Opfer selbst, der Ex-Frau des Steirers. Ihr gegenüber dürfte der Mann auch gewalttätig geworden sein, polizeilich war der 55-Jährige bis jetzt aber ein unbeschriebenes Blatt.

Lob und Dank

Landespolizeidirektor Gerald Ortner zeigte sich erleichtert und dankbar über die Festnahme: „Danke an alle beteiligten Einheiten. Das ist ein großer Ermittlungserfolg.“ Auch Innenminister Gerhard Karner gratulierte: „Durch professionelle Ermittlungen konnte ein gefährlicher Straftäter festgenommen, weitere mögliche Anschläge verhindert und Menschenleben geschützt werden.“ LH Christopher Drexler schloss sich dem an: „Dass der Tatverdächtige gefasst werden konnte, unterstreicht die hervorragende Arbeit, die unsere Polizistinnen und Polizisten tagtäglich leisten.“