Erst sieben Mal wurde der Menschenrechtspreis der Karl-Franzens-Universität Graz seit seiner Einführung im Jahr 1991 verliehen. Unter anderem wurde der Dalai Lama Tenzin Gyatso 2002 damit ausgezeichnet, zuletzt ging der Preis 2016 an den damals stellvertretenden UNO-Flüchtlingshochkommissar Volker Türk. Jetzt verlieh die Universität wieder ihren Menschenrechtspreis – und zwar an die „International Accountability Platform for Belarus“ (IAPB). Die unabhängige Plattform, die von 22 Staaten sowie der EU finanziert wird, hat es sich seit 2021 zur Aufgabe gemacht, Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit unter dem Regime Alexander Lukaschenko zu dokumentieren. Seitdem wurden 2500 Berichte von Opfern und Zeugen erstellt und zahlreiche Täter identifiziert. Mit der finanziell nicht dotierten Auszeichnung möchte man der IAPB durch Anerkennung bei der jährlichen Budgetverhandlung mit den Ländern zu helfen.

„Für eine Universität ist die Freiheit von Lehre und Forschung das höchste Gut. Untrennbar damit verbunden sind Werte wie die Freiheit von unrechtmäßiger Verfolgung, die Freiheit der Meinungsäußerung und die Freiheit, sein Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Die Auszeichnung der IAPB ist Ausdruck dieses Engagements, sie unterstreicht die Bedeutung der Menschenrechte für unsere Universität“, erklärt Peter Riedler, Rektor der Universität Graz.

1500 politische Gefangene in „Nawalny-ähnlichen Zuständen“

Völkerrechtler Wolfgang Benedek, vom Europäischen Trainings- und Forschungszentrum für Menschenrechte und Demokratie der Uni Graz, der auch selbst zur Gründung des IAPB beitrug, erinnerte in seiner Laudatio an Gräueltaten im Zuge der Niederschlagung der großen und friedlichen Demonstration gegen die offensichtliche Wahlmanipulation. Eine strafrechtliche Verfolgung dieser Vorfälle schien damals undenkbar. Die Dokumentation der IAPB wird dies in Zukunft ermöglichen. „Leider verschlechtert sich die Menschenrechtssituation in Belarus laufend weiter. Doch es ist wichtig, nicht aufzugeben und die Dokumentation der schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen des Regimes von Lukaschenko fortzusetzen“, betont Benedek. Derzeit befinden sich rund 1500 politische Gefangene im Gefängnis. Sie seien Folter, Misshandlung und „Nawalny-ähnlichen Zuständen“ ausgesetzt, berichten die Aktivisten.

„Die Arbeit der IAPB ist eine eindrucksvolle Erinnerung daran, was engagierte Einzelpersonen und Organisationen angesichts scheinbar unüberwindlicher Herausforderungen bewirken können“, sagt Rektor Peter Riedler. Sie können als Inspiration dienen, um über Disziplinen, Grenzen und Kulturen hinweg an einer Welt zu arbeiten, in der die Menschenrechte für alle geachtet, geschützt und erfüllt werden.