Ihre Berufswahl hat Lara Reisinger schon in der Volksschule getroffen: „Mit neun, zehn Jahren wusste ich, dass ich in der Pflege arbeiten möchte“, erzählt die heute 15-Jährige. Den Ausschlag hat ihre Schwester gegeben, die als Pflegekraft arbeitet: „Durch sie hab ich gesehen, wie wichtig es ist, zu helfen.“ Den ersten Karriereschritt macht sie nun am 2. April. Gemeinsam mit drei weiteren Lehrlingen startet die 15-Jährige ihre dreijährige Pflegelehre am LKH Graz II, an den Standorten Süd bzw. West.

Das Pilotprojekt Pflegelehre gibt es bereits in einigen Bundesländern: „Meines Wissens sind wir aber die Ersten, die das im Akutbereich machen“, sagt die Kages-Pflegedirektorin Eveline Brandstätter. Die vier Lehrlinge wurden aus 49 Bewerbern ausgewählt. Sie absolvierten einen schriftlichen Test, in dem Wissen aus der achten Schulstufe abgefragt wurde; danach ein Bewerbungsgespräch mit Fokus auf soziale Kompetenz.

Pflegelehrling Lara Reisinger im Video-Interview

„Uns war Qualität vor Quantität wichtig. Deshalb beginnen wir erst einmal mit vier Lehrlingen“, sagt Brandstätter. Die vier werden nun drei Jahre lang zu Pflegeassistenten ausgebildet. Dafür beginnen sie zuerst in der Pflegedirektion und sammeln dann Praxis auf den Stationen zu monatlich wechselnden Themen. Mit 900 im ersten bis zu 1400 Euro im letzten Lehrjahr werden sie dafür entlohnt. Parallel dazu besuchen sie voraussichtlich die Berufsschule Bad Radkersburg. Abschließen können sie die Lehre auch mit der Matura.

Kritik am Alter der Lehrlinge

Mit Patienten arbeiten dürfen die Lehrlinge gesetzlich allerdings erst mit 17 Jahren. Einige Organisationen sehen die Lehre auch deshalb kritisch. Die Arbeiterkammer meint etwa, dass die Lehrlinge ihre Ausbildung bald wieder abbrechen würden, wenn sie erst nach Jahren Patienten pflegen dürfen. „Ich war anfangs auch gegen die Lehre. Aber wir haben nun eine Top-Qualität im Curriculum und eine gute Vorbereitung auf den Kontakt mit den Patienten“, sagt Brandstätter.

Kages-Vorstandsvorsitzender Gerhard Stark verweist auf die Simulationstrainings, die die Lehrlinge absolvieren: „Am Fall auszubilden, ist vielfach nicht mehr das Richtige. Der Pflegeberuf hat so viele, auch technische Facetten, die müssen gelehrt werden. Dieses Training ist für die Praxis sehr wichtig.“

Pressekonferenz zur Präsentation der Pflegelehre
Pressekonferenz zur Präsentation der Pflegelehre
© KLZ/Macher

Stark spricht den starken Mangel an Pflegekräften an: „Deshalb müssen wir die Tore ganz weit aufmachen.“ Auch für Gesundheitslandesrat Karlheinz Kornhäusl (ÖVP) ist die Pflegelehre ein „zusätzlicher Mosaikstein“, um mehr Arbeitskräfte in die Pflege zu bringen.

Zusätzlicher Aufwand für das Personal

Genau jener Mangel an Arbeitskräften wird aber auch als weiterer Kritikpunkt gegen die Lehre vorgebracht. Die Gewerkschaft sagt, dass das Pflegepersonal ohnehin schon stark eingespannt sei und nun auch noch für die Ausbildung der Lehrlinge sorgen müsse. Diesen zusätzlichen Aufwand habe man eingeplant, heißt es von der Kages. In den Spitälern kümmern sich sogenannte Praxisanleiter wie die Krankenschwester Marie-Christin Sorian um die Lehrlinge; acht Stunden pro Woche ist sie dafür von ihrer Arbeit auf der Allgemeinchirurgie freigestellt: „Es ist natürlich nicht so leicht, das mit dem Dienstplan zu vereinbaren. Aber ich finde das Projekt total spannend und freue mich schon.“

Die Vorfreude überwiegt auch bei Lehrling Lara Reisinger, selbst wenn die Nervosität steigt: „Ich hab natürlich Angst, dass ich was falsch mache, auch wenn das am Anfang normal ist. Aber ich freu’ mich schon auf all die neuen Leute, mit denen ich zusammenarbeiten darf.“