„Wir sehen sehr viele kleine Patienten, die nicht in eine Notfallambulanz kommen müssten“: Das sagte Sabine Löffler, Leiterin der Notfallambulanz der LKH-Uni-Kinderklinik in Graz im Interview mit der Kleinen Zeitung. Bis zu 185 kleine Patienten werden in Infektzeit pro Tag in der Klinikambulanz versorgt, Wartezeiten von bis zu fünf Stunden zu den Stoßzeiten sind die Folge. „Eltern machen sich natürlich große Sorgen, wenn das Kind krank ist. Schnell in der Notfallaufnahme eines Krankenhauses Hilfe zu suchen, ist dann oft die erste Idee“, schilderte Michael Sacherer, Präsident der Ärztekammer Steiermark.
Viele kranke Kinder müssten aber nicht ins Spital – ein neuer Leitfaden soll Eltern nun dabei helfen, den richtigen Ansprechpartner für ihr krankes Kind zu finden. Mit der Broschüre „Wohin mit welcher Krankheit – ein Leitfaden für Eltern“ will die steirische Ärztekammer dem „Run“ auf die Notaufnahmen und Ambulanzen entgegenwirken.
Vielen Eltern fehlt das Wissen
Eine der Autorinnen des Leitfadens ist die Hausärztin Gudrun Zweiker, die eine Praxis in Straden betreibt. „Gerade am Land werden viele kranke Kinder beim Hausarzt versorgt“, erklärt Zweiker, warum es ihr wichtig war, diesen Leitfaden zu entwerfen. Denn sie beobachtet seit Jahren eine besorgniserregende Entwicklung: „Eltern fehlt das Wissen, wie man normale Infekte zu Hause behandeln kann.“ Zweiker ist seit 26 Jahren als Hausärztin tätig, früher sei das Wissen um Hausmittel von Generation zu Generation weitergegeben worden – diese Wissensweitergabe finde heute oft nicht mehr statt.
„Ein Kind hat eine Stunde Halsschmerzen oder Fieber und schon kommen die Eltern in die Ordination“, berichtet Zweiker aus ihrem Alltag. Dabei können viele harmlose Infekte zu Hause behandelt werden. Um auch Familien mit Migrationshintergrund zu erreichen, soll die Broschüre noch in weitere Sprachen wie Farsi, Ukrainisch oder Türkisch übersetzt werden.
Der von Ärztinnen und Ärzten verfasste Ratgeber hilft Eltern die richtige Entscheidung je nach Schwere und Dauer der Symptome zu treffen: „Unklares Fieber länger als zwei bis drei Tage, starke Bauchschmerzen, starker Brechdurchfall, Schmerzen beim Wasserlassen, Schwindel und Kopfschmerzen, die länger andauern, kleinere Verletzungen“ sind demnach jedenfalls Fälle, die beim Kinderarzt oder Hausarzt abgeklärt und behandelt gehören. Die Broschüre gibt auch Tipps, welche „Erste Hilfe“ zu Hause sinnvoll ist. In die Notaufnahme sollten Kinder u. a. mit schwerer Atemnot, Teilnahmslosigkeit, Nackensteife, Krämpfen, offenen klaffenden Verletzungen, starker Blutung, offenen Knochenbrüchen oder mit hohem, nicht senkbarem Fieber.
Ausschreibung für Kinder-PVE läuft
„Nichts ist schlimmer, als wenn das eigene Kind krank ist. Da ist es gut, eine Navigationshilfe zur Hand zu haben, die einen Abriss über die wesentlichen Symptome gibt, was man selber tun kann und wohin man sich wenden kann“, erläuterte Gesundheitslandesrat Karlheinz Kornhäusl (ÖVP) die Idee hinter dem kleinen Heft. Damit die Broschüre auch in die Familien kommt, wird sie in Kooperation mit der Bildungsdirektion in den kommenden Tagen und Wochen in den steirischen Kindergärten und Volksschulen verteilt und in digitaler Form an Eltern verschickt. „Wenn so eine Idee an uns herangetragen wird, dann können wir nur begeistert sein“, sagte der steirische Bildungslandesrat Werner Amon (ÖVP).
Diese Broschüre soll ein weiterer Baustein sein, um die Ströme der kleinen Patienten in der Steiermark besser zu lenken – neben anderen Maßnahmen wie dem Gesundheitstelefon 1450 oder der Portalambulanz vor der LKH-Kinderklinik, die in der Infektzeit an den Wochenenden jene kleinen Patienten filterte, die nicht in der Klinik versorgt werden müssen. Diese Portalambulanz wird mit Ende März auslaufen: „Es war immer so geplant, dass wir damit in der Infektzeit die Kinderklinik entlasten“, sagt Kornhäusl.
Kornhäusl kündigte zugleich auch die Realisierung der ersten Primärversorgungseinheit (PVE) speziell für Kinder in der Steiermark an: Während in den nächsten Wochen das 14. Zentrum für Erwachsene eröffnet wird, soll in Graz noch in diesem Jahr eine speziell auf Kinder ausgerichtete PVE in Graz zugänglich werden. Ein weiteres sei für die Obersteiermark angedacht. „Das erste Kinder-PVE soll in Graz-Mitte entstehen, wir haben auch schon Interessenten“, zeigte sich Kornhäusl erfreut.