Wenn Männer sich in aussichtslosen Lebenslagen befinden, sich nicht mehr zu helfen wissen und die Nummer des Männernotrufs wählen, sitzt nicht selten Eduard Hamedl am anderen Ende des Hörers. Ende 2013 ging das Krisentelefon ans Netz, zehn Jahre lang machte es sich Hamedl als Leiter zur Aufgabe, gemeinsam mit seinen ehrenamtlichen Mitarbeitenden Menschen aus ihrer Verzweiflung zu helfen – und sie mehr als nur ein paar Mal aus einem suizidalen Strudel hinauszuleiten. „Für Leute, die mit Suizid und Gewalt nie in Berührung gekommen sind, wäre das nicht auszuhalten“, weiß Hamedl aus jahrelanger Erfahrung. Denn bereits vor der Gründung des Männernotrufs bedeutete die Interaktion mit Menschen in Ausnahmesituationen für den ehemaligen Polizeibeamten Alltag. 1973 begann der gebürtige Burgenländer erst in Wien in der Exekutive zu arbeiten, ehe er nach Graz wechselte, 25 Jahre lang fungierte er als Verhandler bei Geiselnahmen und Suizidandrohungen, war bei den Unglücken in Kaprun und Lassing vor Ort.
Dabei kam eine Karriere bei der Polizei ursprünglich gar nicht zur Sprache. „Meine Eltern hatten einen landwirtschaftlichen Betrieb im Burgenland, den ich eigentlich hätte übernehmen sollen. Als ich beim Bundesheer war, kam aber alles anders“, erinnert er sich. „Für den Aufnahmetest bei der Polizei wurde man vom Bundesheer einen Tag freigestellt, ein Freund und ich hielten das für eine gute Gelegenheit mal einen Tag wegzukommen“, schmunzelt Hamedl. Aus einem Ausbruch aus der Bundesheer-Routine wurde für Hamedl Berufung. „Ich habe dadurch gelernt, wie gut ich mit Menschen sprechen kann, und wie ich positiv auf sie einwirken kann.“ Noch heute arbeitet der ehemalige Polizist nach zahlreichen Zusatzausbildungen als Lebens- und Sozialberater in seiner eigenen Praxis in Graz und setzt sich mit dem Männernotruf für Gewaltprävention und Täter- und Opferarbeit ein. Als Landtagsabgeordneter und Sicherheitssprecher versuchte er auch fünf Jahre lang in der Poltik seine Stimme für Menschen in psychischen Ausnahmesituationen zu erheben.
Ära geht zu Ende
Mehr als einmal stand der Wahlgrazer in seiner Karriere Mördern und Opfern von Sexualdelikten gegenüber – mit einigen hat er heute noch Kontakt. „Einer der Fälle, der mich bis heute am meisten berührt, war ein Mädchen, das Opfer einer Sexualstraftat wurde und sich das Leben nehmen wollte“, erzählt er. Im letzten Moment habe er den Suizid verhindern können, heute ist er Taufpate des Kindes der damals 12-Jährigen und fungierte als Beistand auf ihrer Hochzeit. „In meiner Laufbahn konnte ich 100 Suizide verhindern, sie habe ich auch danach weiter betreut.“ Fälle wie dieser sind es, warum Hamedl den Männernotruf ins Leben rief. „Damals hat man diese Idee belächelt, doch Gewaltprävention fängt genau dort an, wo das alteingesessene Männerbild hinterfragt wird und Männern gezeigt wird, wie wichtig es ist, über Gefühle zu sprechen.“
Jetzt geht für den 72-Jährigen eine Ära zu Ende, nach zehn Jahren gibt der Experte sein Amt als Leiter des Männernotrufs ab. Vielleicht bleibt dem nimmermüden Grazer nun mehr Zeit für seine Leidenschaft, Jazz-Musik, Gitarre spielen und das Radfahren. „Ich hab Lieblingsstrecke, die in Feldbach endet, insgesamt etwas mehr als 100 Kilometer, dort esse ich dann eine Pizza, trinke ein Bier und dann geht es wieder retour. Nirgends kann ich so gut abschalten wie am Fahrrad“, so Hamedl, der zwei Kinder und drei Enkelkinder hat.
Herausforderungen der Traumabegleitung
In seine Fußstapfen tritt unterdessen Martin Hochegger, der sein Leben der Sozialen Arbeit verschrieben hat. Den ausgebildeten Religionspädagogen verschlug es im Laufe seiner Karriere in die Traumabegleitung und Gewaltprävention, vor allem für Kinder mit Gewalterfahrungen setzte sich der Steirer ein. Auch den Flüchtlingsberatungsverein Zebra gründete Hochegger mit, elf Jahre lang fungierte er als Obmann. „Damals kamen zahlreiche Frauen und Kinder aus Srebrenica in die Steiermark, die durch den Krieg schwer traumatisiert waren. Diese Menschen haben wir mit dem Verein begleitet, viele Frauen waren Opfer von sexueller Gewalt geworden. Wir haben Leid gesehen, das man nicht in Worte fassen kann“, erinnert er sich und beschreibt diese Zeit als eine der mental forderndsten seiner Karriere.
Wie Privates und Berufliches getrennt werden kann? „Empathie und sich auf den Menschen einschwingen, ja, mitleiden, nein. Das ist wichtig. Aber manchmal lässt es sich nicht vermeiden, dass sich Berufliches und Privates vermischt, weil du in der Beratung in den privaten Raum von Menschen eintrittst.“ Die Kunst sei, in kürzester Zeit mit Menschen eine Beziehung aufzubauen, auch übers Telefon. „Gefühle müssen erkannt und begleitet werden, um den Leuten zu helfen“, sagt Hochegger, der sich zudem für Menschen mit Behinderung engagiert und jahrelang Teil der Geschäftsleitung bei Lebensgroß war.
2022 wurde ihm für seine Leistungen der Bruno-Kreisky-Menschenrechtspreis verliehen. „Deswegen habe ich mir auch zugetraut, mit Edi Hamedl in Kontakt zu treten und mich zur Mitarbeit beim Männernotruf verführen lassen“, schmunzelt der Grazer, der auch sieben Jahre Landesgeschäftsführer der Grünen war. Sowohl sein eigener als auch Hamedls Sohn, engagieren sich ebenfalls für den Männernotruf – eine Familiensache also. Mit Hamedl verabschieden sich außerdem zehn weitere Mitarbeitende vom Männernotruf. Hochegger will diese Phase des Wechsels dazu nutzen, für noch mehr generative Durchmischung zu sorgen, wie er sagt. „Es rufen auch immer mehr junge Männer an, deswegen ist es uns ein Anliegen, uns auch dahingehend anzupassen.“ Beratend wird Hamedl unterdessen weiterhin beratend zur Verfügung stehen, seine Praxis führt er ebenfalls weiter.