Weiße Gestalten bahnen sich in der letzten Rauhnacht, der Nacht vom 5. auf den 6. Jänner, ihren Weg durch die Gemeinde Stainach-Pürgg, auf ihren Köpfen tragen sie Kunstwerke aus Holz, die mit ihrem Licht die Umgebung erleuchten, ihre Rücken sind mit Kuhglocken geschmückt. Der Glöcklerlauf, der im 19. Jahrhundert im oberösterreichischen Ebensee entstand, schwappte auch über die steirische Grenze bis nach Stainach-Pürgg. „Seit 1930 gibt es den Glöcklerlauf auch bei uns – und das jedes Jahr“, erzählt Helmut Maierhofer, der seit drei Jahrzehnten Teil der Läufe ist und 2008 die Organisation übernahm. Nur während des Zweiten Weltkriegs und der Pandemie musste der Lauf zwangsweise ausgesetzt werden.

Bis zu zwei Meter groß sind die handgemachten Kappen aus Holz und Pergamentpapier, die von innen mit Kerzen erleuchtet werden und mit Himmelskörpern, Wappen, regionalen und religiösen Symbolen versehen sind. „In Stainach haben wir 180 bis 200 Glöcklerinnen und Glöckler, die in unterschiedlichen Gruppen, den sogenannten Passen unterwegs sind“, erzählt Maierhofer. Fünf Kinder-Passen und 12 Erwachsenen-Passen gibt es in der Region, das jüngste Mitglied ist gerade einmal fünf Jahre alt, das älteste über 80 Jahre. „Uns ist es wichtig, diesen Brauch der sogenannten Schönperchten zu erhalten“, betont Maierhofer. Gute Geister sollen mit den Lichtkappen erweckt werden, die Glück für das neue Jahr bringen sollen. Die Lichtkappen überdauern mehrere Generationen und werden regelmäßig aufbereitet. Die älteste Kappe in Stainach stammt aus den 50er-Jahren. Auch 2024 findet in der Gemeinde wieder der Glöcklerlauf statt. Ab 17 Uhr starten die Gruppen am 5. Jänner und wandern durch das Ortsgebiet, ab 19.30 Uhr kommen alle Glöckler am Hauptplatz von Stainach zusammen.

Die Kappen aus Holz und Pergamentpapier werden über Generationen weitergegeben
Die Kappen aus Holz und Pergamentpapier werden über Generationen weitergegeben © Privat

Not machte erfinderisch

Zurück geht der Brauch auf die Saline Ebensee, die im 19. Jahrhundert von Holz auf Braunkohle zum Heizen der Sudpfannen umstieg und jene Menschen, die für die Holzbringung verantwortlich waren, arbeitslos zurückließ. Um nicht betteln gehen zu müssen, riefen sie das Glöckeln ins Leben. Heute zählt der Brauch zum immateriellen Weltkulturerbe der Unesco.