Sandra, Bettina, Christine, Yvonne, Jessica, Edith, Franziska, Josefa, Petra, Ulrike, Iris. Die Namen dieser Frauen erzählen nur den Teil einer erschütternden Geschichte, die sich in ganz Österreich abspielt. 26 Frauen verloren in diesem Jahr ihr Leben an (Ex-)Partner oder Familienangehörige. Elf davon in der Steiermark. Sie wurden zu Opfern eines Systems, das nicht in der Lage war, sie zu schützen. Ihre Geschichten sind nicht mehr als eine Zahl in der Statistik. Was bleibt, ist die Frage: Wie viele werden es 2024 sein? Weil es wieder passieren wird.
Es wird wieder passieren
Wieder wird ein Partner, ein Ex-Ehemann, ein Bruder, ein Sohn, ein Vater Gewalt auf eine Frau ausüben, sie auf grausame Weise töten. Wieder werden Journalistinnen und Journalisten über die „Bluttat“, den „Beziehungsstreit“, das „Familiendrama“ schreiben, darüber, ob Eifersucht im Spiel war, ob er die Trennung nicht verkraftet hat. Redaktionen werden endlose Diskussionen über den Begriff „Femizid“ führen und ob er in die Schlagzeile gehört. Politikerinnen und Politiker werden nach wirkungsvollen Maßnahmen befragt und ihre bisherige Säumigkeit hinterfragt. Was in dem Ganzen untergeht, sind die Geschichten der Opfer. Ihre Leben verschwinden in der Anonymität der Berichterstattung.
Doch Betroffenheit, Erschütterung und Rufe nach effektiveren Präventionsmaßnahmen werden die traurige Statistik der Frauenmorde nicht ändern. Was es stattdessen braucht, sind eine Politik und eine Gesellschaft, die sich verpflichten, diejenigen zu schützen, die bedroht sind. Dass die Regierung Gelder für den Gewaltschutz erhöht und die Ausweitung der Gewaltambulanzen im Osten Österreichs gestartet hat, zeigt, dass das Bewusstsein da ist. Trotzdem gibt es noch immer große Schwachstellen in der Frauenpolitik. Zum Beispiel das Fehlen einer echten Gleichstellungspolitik in der Wirtschaft. Frauen verdienen im Durchschnitt 15 Prozent weniger als Männer.
Wo Gewalt anfängt
Das hat die Folge, dass Frauen wirtschaftlich von Männern abhängig sind. Viele müssen in gewalttätigen Beziehungen bleiben, weil sie nirgends hinkönnen. Es braucht daher strukturelle Veränderungen, die Gewalt gegen Frauen in jeder Form bekämpft. Das fängt nicht erst beim gewalttätig gewordenen Mann an. Es beginnt in der Erziehung, im Kindergarten, in der Schule. Kinder und Jugendliche müssen verstehen lernen, wo Gewalt anfängt. Dass Männer keinen Anspruch auf Frauen haben, dass Frauen kein Besitz sind, dass Männer auf Zurückweisung nicht mit Gewalt reagieren dürfen, dass Frauen sich Männern nicht unterordnen müssen. Dass das endlich aufhören muss.
Das ist eine politische und vor allem gesamtgesellschaftliche Herausforderung und im Gedenken an Sandra, Bettina, Christine, Yvonne, Jessica, Edith, Franziska, Josefa, Petra, Ulrike, Iris und all die anderen Frauen, die in diesem Jahr Opfer von Gewalt wurden. Es beginnt mit einer Gesellschaft, die sich einig ist, dass Gewalt keinen Platz hat. Nirgendwo.