Johannes Rabensteiner ist einer der ersten Gewinner des Biodiversitätspreises „Silberdistel“. Seine große Leidenschaft gehört dabei Maulbeerbäumen. Genauer gesagt den seltenen schwarzen Maulbeerbäumen. Begonnen hat diese Leidenschaft bereits im Jahr 2005, als der Biologe begann, im Garten seiner Eltern verschiedenste Obstbäume zu pflanzen. Seine Passion für die Natur hat er sogar noch früher entdeckt. „Ich habe mit sechs Jahren bereits meine ersten Herbarien gefüllt“, erzählt er lachend. Als er sich 2005 auf die Suche nach einem schwarzen Maulbeerbaum machte, stellte er schnell fest, dass die Bäume, die in Gärtnereien und Baumschulen verkauft wurden, keine echten schwarzen Maulbeerbäume waren, sondern weiße Maulbeerbäume, die ebenfalls schwarze Früchte tragen können.
Das hat seine Neugier geweckt, echte schwarze Maulbeerbäume in der Steiermark zu suchen und zu vermehren. Keine leichte Aufgabe. Denn: „Schwarze Maulbeerbäume passen ganz schlecht in unsere Zeit. Sie lassen sich sehr schlecht vermehren und wachsen sehr langsam, vor allem die ersten drei bis vier Jahre“, so Rabensteiner. Das ist auch der Grund, warum die Bäume für Baumschulen und Gärtnereien uninteressant sind.
Da sowohl das Aufziehen von Jungpflanzen aus Samen als auch das Klonen und Ziehen von Stecklingen bei schwarzen Maulbeerbäumen nur mit sehr schlechten Erfolgsquoten funktionieren, setzt Rabensteiner auf die Vermehrung durch Abmoosen. „Ich mache am Baum kleine Verletzungen und packe diese mit einem Ast in ein kleines Päckchen mit Moos oder Erde, dadurch entsteht direkt am Baum ein Jungbaum“, so Rabensteiner. Durch die direkte Vermehrung am Baum sind die Jungpflanzen wetterresistent und tragen die Genetik der alten Bäume in sich.
Die Genetik der alten Bäume ist es auch, was Rabensteiner erhalten möchte. Denn: „Mit jedem Baum, der achtlos weggeschnitten wird, weil er im Weg steht, oder die Natur unaufgeräumt aussehen lässt, stirbt die potenzielle Genetik dieses Baumes“, so Rabensteiner. Daher ist es ihm neben der Vermehrung der Bäume besonders wichtig, alte Bäume in der Steiermark zu finden und diese durch Bewusstseinsbildung zu erhalten. Denn häufig wissen die Besitzer gar nicht, welche Seltenheit sie auf ihrem Grundstück haben.
„Ich gehe immer auf die Leute zu und frage sie, ob sie etwas über die Geschichte des Baumes wissen. Häufig höre ich dann, dass die Oma erzählt hat, dass der Baum, seit sie denken kann, schon dasteht und sich in den letzten 70 Jahren kaum verändert hat“, so Rabensteiner. Um die Maulbeerbäume auch für die nächste Generation zu erhalten und den Besitzern etwas zurückzugeben, bekommen sie, wenn die Vermehrung geglückt ist, auch ein Jungbäumchen zum Einsetzen. Bisher konnte er so bereits neun schwarze Maulbeerbäume in der Steiermark listen und erhalten. Rund 25 Jungbäumchen konnte er bereits zeihen und auspflanzen.
Um möglichst viele Bäume zu entdecken, geht er jedem Hinweis nach und macht sich selbst vor Ort ein Bild. Und das, obwohl sich hinter den Hinweisen zu mehr als 90 Prozent weiße Maulbeerbäume verstecken. Manchmal ist es jedoch auch bei einem richtigen Hinweis schon zu spät. So war es etwa im Jahr 2021. „Ich habe im Herbst einen Hinweis zu einem Baum auf einem Firmengelände bekommen, als ich ihn mir im Frühjahr anschauen wollte, war leider nur mehr der ausgerissene Wurzelstock da“, meint der Biologe. Aufgeben war für ihn trotzdem keine Lösung. Kurzerhand nahm er den Wurzelstock mit und vergrub ihn in einem Grazer Gemeinschaftsgarten – und tatsächlich hat der Wurzelstock nach einem Jahr neu ausgetrieben. „Manchmal ist man zu spät für den Baum, aber hat dann doch Glück, dass man noch die Genetik retten kann“, so Rabensteiner.
Ein weiterer Grund, warum der schwarze Maulbeerbaum in der Steiermark so in Vergessenheit geraten ist, ist, dass er sich nicht besonders gut für die landwirtschaftliche Nutzung eignet. Denn die Früchte schmecken nur, wenn sie wirklich reif sind. „Die Früchte haben dann fast eine rotweinhafte Note, sie sind sauer, süß und herb gleichzeitig“, meint Rabensteiner. Allerdings sind sie dann nicht mehr lagerbar. Zudem reifen sie nicht alle gleichzeitig, sondern nach und nach von Juni bis Mitte September. „Man müsst eigentlich jeden Tag ernten gehen für eine Handvoll Früchte“, meint Rabensteiner.
Dieser Beitrag erscheint in Kooperation mit der Naturschutzakademie Steiermark. Die inhaltliche Verantwortung liegt bei der Redaktion der Kleinen Zeitung.