Eine Krippe aus Holz steht am Fensterbrett, ein noch ungeschmückter Baum ziert die Ecke, eine andere ist mit bunt verpackten Geschenken gefüllt. Eine weihnachtliche Szenerie, wie sie in den letzten Tagen vor Weihnachten wohl unzählige Male in den wohlig warmen Stuben in der Steiermark vorzufinden ist – doch etwas unterscheidet diesen Raum, in dem sich die besinnliche Stimmung schon erahnen lässt, von anderen. Denn das VinziTel im Grazer Lend ist für jene, die es bewohnen, ein Zuhause auf Zeit. Wohnungslose Frauen, Männer und Paare können dort Zuflucht finden, wenn sie ihr Dach über dem Kopf verloren haben.

Ein Gesicht, das sie seit elf Jahren mit offenen Armen in Empfang nimmt, ist Brigitte Zimmermann. Die 66-Jährige engagiert sich seit mehr als zehn Jahren ehrenamtlich für die VinziWerke, jedes Weihnachten verbringt sie mit den Menschen, die im VinziTel Schutz suchen. „Hier habe ich die wahre Bedeutung von Weihnachten wieder sehen gelernt“, sagt sie. Gemeinsam mit den Hauptamtlichen wird gekocht und gegessen, die Tage vor Weihnachten wird alles dekoriert und geschmückt. „Den Menschen hier wird während der Weihnachtszeit ganz oft vor Augen geführt, was sie nie hatten oder verloren haben, hier bedeuten kleine Gesten die Welt“, so Zimmermann. Sie erinnert sich an einen Mann, der im Rahmen der Wichtelaktion, die es dem VinziTel ermöglicht, allen Bewohnerinnen und Bewohnern ein Geschenk zu überreichen, ein Laufrad für seinen Enkel erhielt. „Das hat er sich gewünscht. Schon vor der Bescherung hat er es unter dem Baum gesehen und war schon kaum mehr zu halten. Danach ist er damit stundenlang durch den Schlafsaal gelaufen und hat es allen gezeigt“, so die Ehrenamtliche.

Kein Platz für Kälte

Die VinziWerke sieht die Pensionistin als ihre Lebensaufgabe, „die Leute geben so viel zurück“, sagt sie. Ehe sie begann, an Weihnachten ehrenamtlich zu arbeiten, bedeutete der Heilige Abend für sie Stress. „Heute ist es tatsächlich eine besinnliche Zeit, in der Familie schenken wir nur noch den Kleinen etwas, und wir feiern am Stefanitag – ganz entspannt.“ Die Arbeit im VinziTel ist ihr wichtig, sie selbst ging in ihrem Leben durch eine schwierige Phase. In der Freiwilligenarbeit fand die 66-Jährige ihre Erfüllung, genauso wie die 50 anderen Ehrenamtlichen, die sich engagieren. Auch die Nacht verbringt Zimmermann bei den Menschen im VinziTel, Angst hatte sie dort noch nie, sagt sie. „Meine Familie hat sich manchmal Sorgen gemacht, aber ich fühle mich hier sehr sicher. Selbst wenn es einmal laut wird, sind sofort Bewohner da, die sagen: ,Ich beschütze dich.‘“ Die Nächte rund um Weihnachten seien auch die, während denen die Emotionen aus den Menschen herausbrechen, weiß sie. „Vor allem im Winter ist es in den Zimmern außerdem oft sehr warm, wir fragen uns dann, wie die Bewohner das aushalten, aber wenn sie viele Stunden draußen verbracht haben, sitzt die Kälte eben richtig in den Knochen“, so Zimmermann.

Brigitte Zimmermann und Greta Fleck im Gespräch mit der Kleinen Zeitung
Brigitte Zimmermann und Greta Fleck im Gespräch mit der Kleinen Zeitung © KLZ/Stefan Pajman

Keinen Platz hat Kälte aber im VinziTel – in jeglicher Hinsicht. Auf das heurige Weihnachtsfest freuen sich die stellvertretende Leiterin Greta Fleck und Zimmermann besonders. „Wir haben einen Bewohner, der Gitarre spielt, gemeinsam haben wir mit ihm zwei Lieder ausgemacht, die er spielen wird, und zu denen wir singen werden.“ Zu mehr als 90 Prozent ist das VinziTel über das Jahr hinweg belegt, die meisten Bewohner sind Männer, die Wohnungslosigkeit trifft Jung bis Alt. „Wir hatten auch schon eine 82-jährige Frau hier“, erinnert sich Fleck. Umso schöner ist es für die Mitarbeitenden, wenn die Betroffenen wieder in eigenen Wohnungen leben. „Letztens habe ich einen Mann getroffen, der bei uns war, und erzählt hat, dass er wieder einen Job hat und jetzt verheiratet ist. Das sind die schönsten Freuden“, so Zimmermann, die weiß, dass die Menschen, die im VinziTel unterkommen, von der Gesellschaft oft verstoßen werden. „Ein junger Bursche, 18 Jahre alt, konnte es nicht glauben, als ich ihn mit Herr und seinem Nachnamen angeredet habe. Dieses Mindestmaß an Respekt hatte er zuvor noch nie bekommen“, so die Ehrenamtliche. Deswegen sei Weihnachten in der Einrichtung für sie die schönste Art, das Fest zu feiern. „Man kann sich richtig hineinfallen lassen und den Sinn von Weihnachten wieder spüren. Das ist ein wunderschönes Gefühl.“